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Einige Tage im Krankenhaus sind manchmal notwendig. Für Betroffene ist das eine Ausnahmesituation. Man hat eine unter Umständen belastende Therapie vor sich und weiß nicht, wie gut und wie schnell man sich wieder erholt. Im Krankenzimmer gibt es so gut wie keine Privatsphäre, man durchlebt die schwierige Zeit mit einer fremden Person. Klingt stressig? Ist es auch. Hinzu kommt, dass Stress die Genesung beeinträchtigt.
Studien zeigen, dass unter psychischer Anspannung Wunden schlechter verheilen und Infektionen häufiger auftreten. Aber auch der Umkehrschluss ist wissenschaftlich belegt: Eine optimistische Haltung hilft beim Gesundwerden. Es lohnt sich also, die Zeit in der Klinik möglichst angenehm zu gestalten. Das hat man auch selbst in der Hand. Hier sind einige Ideen – von denen manche auch beim weiteren Gesundwerden zu Hause oder in der Reha hilfreich sind.
Entspannt die Zeit vertreiben
Endlich ist die Gelegenheit gekommen, Tolstois 2.000 Seiten starkes Meisterwerk „Krieg und Frieden“ durchzuackern? Vermutlich ist das für die Zeit der Rekonvaleszenz nicht die allerbeste Idee. „Krank sein heißt erst mal auch schwach sein“, sagt Patrick Nemeshazy, Chefarzt und Psychiater im Schweizer Spitalzentrum Oberaargau. „Überforderung ist in dieser Situation nicht das Richtige.“ Ein Buch in der Kliniktasche kann dennoch nützlich sein – zumindest für diejenigen, die gern lesen. Das Eintauchen in eine fiktionale Welt senkt das Stresslevel um 68 Prozent. Das hat die Universität von Sussex untersucht und entsprechend beziffert. Allerdings sollte man sich bei der Auswahl der Lektüre auf dem gewohnten Leseniveau bewegen.
Anstrengungsärmer ist die Berieselung aus dem Kopfhörer. Tablet oder Smartphone bergen die gesamte Welt der Unterhaltung. Darf man die elektronischen Geräte in der Klinik überhaupt benutzen? „Das ist normalerweise kein Problem“, sagt Hajo Neu, Leiter der Geschäftsstelle des Bundesverbands der Patientenfürsprecher in Krankenhäusern (BPiK). „Es sei denn, der Verzicht auf Technik ist Teil der Behandlung.“
Bleibt die Qual der Wahl. Ist es besser für das Gemüt mitzufiebern, wenn Superhelden eben mal die Welt retten, oder eignet sich eher eine Romanze, in der zwei sich endlich finden? Das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik hat nachgeprüft, welche Filme einen besonders hohen Wohlfühlfaktor haben. Dazu gehört das klassische Happy End, eine humoristische Note und wiederkehrende Handlungsmuster. Diese Feel-good-Geschichten hellen die Stimmung des Zuschauers zuverlässig auf.
Gut untersucht ist die positive Wirkung von Musik auf den Genesungsprozess. In einer Metastudie kam ein Team der California Northstate University zu dem Ergebnis, Musik habe eine heilsame Wirkung auf frisch operierte Menschen. Sie helfe, Angst, Schmerzempfinden und Herzfrequenz zu reduzieren. „Musik kann beruhigend wirken und das Gefühl vermitteln, sich an einem vertrauten Ort zu befinden“, erklärt der Studienleiter Eldo Frezza. Das Genre hat keinen messbaren Einfluss. Es wirkt, was gefällt. Letzteres gilt auch für Podcasts oder Hörbücher. Einen langen Kliniktag sollte man auch mal dazu nutzen, etwas Neues auszuprobieren. Geführte Meditationen zum Beispiel. Vielleicht fördern sie das langsame Hinübergleiten in den Schlaf.
Checkliste – Diese Dinge gehören in die Kliniktasche
- Dokumente: Krankenhauseinweisung, Versichertenkarte, Vorbefunde, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Liste der eingenommenen Medikamente
- Pflegeartikel: Waschbeutel, Handtücher, Waschlappen
- Kleidung und Wäsche: Schlafanzüge, Unterwäsche, Bettsocken, Jogginganzug, offene Pantoffeln, bequeme feste Schuhe
- Unterhaltung: Smartphone, Tablet, Ladegerät, Bücher
- Zu Hause lassen: Schmuck, Kreditkarte, größere Geldbeträge
Wieder in die Gänge kommen
Das gelingt am besten mit Bewegung. Solange das Aufstehen noch schwerfällt, kann man liegend oder an der Bettkante sitzend die Muskeln kräftigen. Die meisten Kliniken beschäftigen Physiotherapeuten, die bei Bedarf vorbeikommen. Oder es finden sich im Netz geeignete Übungen für Bettgymnastik. Auch hier gilt: nicht zu ehrgeizig sein! Zu viel schadet.
Meist sind Patientinnen und Patienten bereits kurz nach einem chirurgischen Eingriff wieder mobil und können sich auf dem Flur die Beine vertreten oder im Klinikgarten frische Luft schnappen. „Melden Sie sich bei den Pflegekräften ab, wenn sie die Station verlassen“, empfiehlt Experte Neu. Wer sich vom Klinikgelände entfernt, muss dies unbedingt absprechen. Andernfalls kann der Versicherungsschutz verloren gehen.
Futter für die Seele
Wesentlichen Anteil am Wohlbefinden hat das Essen: Die Krankenhauskost verfehlt leider allzu häufig die persönliche Vorstellung von einer guten Mahlzeit. Schon der Gedanke an die schmackhafte Suppen vom Asiaten oder die Pizza vom Lieblingsitaliener heben die Laune. Einfach mal den Lieferservice anrufen? Ob das in der Klinik erlaubt ist, hängt von der Hausordnung, den ärztlichen Anweisungen und den Hygienerichtlinien ab. Am besten einmal mit dem Stationspersonal besprechen, ob eine Essenslieferung okay ist und wie Pizza und Co. aufs Zimmer kommen.
Socializing mit dem Zimmernachbarn
Patienten, die sich im Krankenhaus das Zimmer teilen, treffen in einer Ausnahmesituation aufeinander. Sie bekommen sehr persönliche Dinge voneinander mit. Sie sind Schicksalsgenossen auf Zeit. Daraus kann etwas Gutes entstehen. Eine freundliche Zweckgemeinschaft zum Beispiel. Man bringt sich gegenseitig was vom Kiosk mit, tauscht sich aus, bestellt gemeinsam beim Lieferservice oder vertreibt sich die Zeit mit einem Gesellschaftsspiel. Kurzum: Man kommt sich näher. Warum nicht Handynummern austauschen? Spätere Freundschaft ist nicht ausgeschlossen.
Natürlich kann das auch anders laufen. Beim besten Willen – es matcht mit dem Zimmernachbarn nicht. „Lässt sich eine Situation nicht ändern, so können wir immer noch die eigene Sicht darauf ändern – und so die Lage konstruktiver wahrnehmen“, sagt Psychiater Nemeshazy. Reframing nennt sich diese Technik in der Psychotherapie: „Versuchen Sie, Ihr Gegenüber möglichst positiv zu sehen, das Unangenehme auszublenden, und begegnen Sie ihm lächelnd“, rät der Experte. Nutzt das nichts, ist Abschotten immer noch gesünder als Aufregen. Kopfhörer auf, Musik, Podcast, Film an.
Und dann sind da noch die Schicksalsgenossinnen und genossen, die schnarchen. Die pragmatische Lösung sind Ohrstöpsel. Oder sich unter Noise Cancelling Kopfhörern vom Hörbuch in den Schlaf lullen lassen. Experte Neu empfiehlt als Lösungsansatz: „Sprechen Sie mit dem Bettnachbarn. Vielleicht kann er oder sie sich bemühen, erst einzuschlafen, wenn Sie bereits schlummern.“ Bringt das alles nichts, kann man den Pflegekräften die Situation schildern und fragen, ob ein Raumwechsel möglich ist.
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Klinikliste 2026
FOCUS-Gesundheit 05/25
Dieser Artikel ist eine gekürzte Version. Den vollständigen Artikel finden Sie in der Ausgabe Klinikliste 2026 von FOCUS-Gesundheit. Weitere Themen: Die RNA-Medizin bietet die Chance, bisher unheilbare Krankheiten zu behandeln. Modernste Diagnostik revolutioniert die Medizin. Plus: Deutschlands Top-Kliniken.
Den Besuch managen
Vertraute Gesichter, emotionale Nähe, ungezwungene Gespräche – Besuch von Familienangehörigen oder Freunden am Krankenbett ist meistens angenehm. Wie wichtig der soziale Kontakt ist, zeigte sich während der Corona Pandemie, als Besuchern der Zutritt in die Kliniken verboten war. Damals plädierte die Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin dafür, persönliche Begegnungen mit Angehörigen zu ermöglichen, da sich die Isolation nachteilig auf den Genesungsprozess auswirke. Sie stellten fest, dass insbesondere ältere Erkrankte vermehrt an Delir litten. Umgekehrt zeigen die Überwachungsmonitore, dass sich bei Patienten im künstlichen Koma die Herzfrequenz beruhigt, sobald Ehepartner oder Kinder mit ihnen sprechen. Kurze Berührungen dämpfen das Stresslevel und reduzieren Schmerzen und Ängste. Auch dies ist wissenschaftlich nachgewiesen. Selbst virtueller Austausch über Videokonferenz-Plattformen ist vorteilhafter für den Genesungsverlauf als kein Kontakt.
Bei Besuch gilt aber auch: Das Gute muss richtig dosiert sein. Drängen sich zu viele Leute um den Patienten, verursacht das Stress. Selbst wenn es dem Heimgesuchten noch gefällt, für den Bettnachbarn kann der Ansturm eine Belästigung darstellen. „Mehr als zwei Gäste sollten nicht gleichzeitig kommen“, rät Christiane Lehmacher-Dubberke, Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, Regionalverband Südost. Dabei spielen auch Hygieneaspekte und ein mögliches Infektionsrisiko eine Rolle. „Ein grippaler Infekt ist für Gesunde Schnupfen und Husten, für Kranke eine echte Gefahr“, sagt die Pflegefachfrau. Auch sind Besuchszeiten keine unverbindliche Empfehlung, sondern zu respektieren.
Und wenn plötzlich ungebetene Gäste auftauchen? Dann kann helfen, was der US-amerikanische Verhandlungsexperte William Ury als „positives Nein“ bezeichnet. Man dankt dem Besucher zunächst für seinen Besuch, teilt ihm dann aber freundlich mit, dass man momentan seine Ruhe brauche, um zu genesen. Wenn es gelinge, „Unangenehmes zu sagen, ohne unangenehm zu sein“, sei Neinsagen nicht so schwer, so Ury. Im Krankenzimmer und außerhalb.