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Niedergedrückte Stimmung, Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit, Verlust von Interessen, Konzentrationsprobleme oder Schlafstörungen: Diese Symptome können auf eine Depression hindeuten, die in Deutschland häufig vorkommt: Jeder fünfte bis sechste Erwachsene sei in seinem Leben einmal von einer Depression betroffen, berichtet die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. Frauen erhielten die Diagnose ungefähr doppelt so oft wie Männer.
Es gibt verschiedene Behandlungen bei einer Depression. Die wichtigsten Therapien sind verschreibungspflichtige Medikamente – Antidepressiva – und die Psychotherapie.
Viele Menschen mit depressiven Symptomen probieren jedoch (auch) freiverkäufliche Präparate aus, sogenannte Over-the-Counter-Produkte (OTC). Erhältlich sind sie ohne Rezept über den Tresen in der Apotheke oder Drogerie, daher rührt auch der Name.
Ein häufiger Grund: Wie in anderen Ländern kann die Wartezeit auf eine Psychotherapie in Deutschland mehrere Monate betragen. Die ES-RiP-Studie bezifferte den Zeitraum auf durchschnittlich drei Monate. Da der Leidensdruck bei psychischen Problemen sehr hoch ist, versuchen viele Menschen depressive Symptome durch Selbstbehandlung zu lindern.
Vielzahl von Studien zu pflanzlichen Mitteln durchleuchtet
Eine Studie einer internationalen Forschungsgruppe aus dem Vereinigten Königreich, Peru und Taiwan brachte jetzt ans Licht, welche freiverkäuflichen Mittel wirksam bei Depressionen und depressiven Symptomen sind. Veröffentlich wurden die Ergebnisse im Fachblatt „Frontiers in Pharmacology“.
Unter die Lupe nahmen die Wissenschaftler dabei verschiedene pflanzliche Arzneien und Nahrungsergänzungsmittel, die es in der Drogerie oder Apotheke ohne Rezept zu kaufen gibt und deren Wirksamkeit bisher noch nicht ausreichend belegt ist.
Sie durchforsteten fünf medizinische Datenbanken nach Studien zu diesem Thema: MEDLINE, Embase, PsycINFO, AMED und CENTRAL. Eingeschlossen in die Analyse waren randomisierte kontrollierte Studien, die eine hohe Qualität und Aussagekraft besitzen. Insgesamt filterten sie 209 Studien aus der Vielzahl der Untersuchungen heraus, an denen Probandinnen und Probanden zwischen 18 und 60 Jahren teilgenommen hatten.
196 Studien untersuchten Präparate nur gegen Depressionen, zehn Studien gegen Depressionen und Ängste, zwei gegen Depressionen und Schlafstörungen und eine Studie gegen alle drei Gesundheitsprobleme. Neben Forschungsarbeiten aus dem Iran, den Vereinigten Staaten, Australien und dem Vereinigten Königreich, flossen auch 28 Studien aus Deutschland in die Analyse mit ein.
In allen Untersuchungen waren Präparate überprüft worden, die in vielen Länder gängig und freiverkäuflich sind. Sie kommen bei Menschen mit depressiven Symptomen oder nach der Diagnose einer Depression zum Einsatz. Getestet wurde meist gegen ein Placebo (ein Präparat ohne Wirkstoff). Bei den überprüften Präparaten gab es jedoch eine erhebliche Variationsbreite, zum Beispiel hinsichtlich der getesteten Extrakte, Zubereitungen und Dosierungen.
Als wirksam identifiziert wurden Präparate mit:
- Omega-3-Fettsäuren: Es wurden meist verschiedene Dosierungen von Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) miteinander verglichen.
- Johanniskraut: Dies war das am häufigsten untersuchte pflanzliche Mittel. Teilnehmende waren nur Menschen mit einer diagnostizierten Depression, die keine weiteren Begleiterkrankungen hatten.
- Safran: Getestet wurden Extrakte wie der Farbstoff Crocin aus Safran oder die Blütenblätter.
- Probiotika: Das sind Präparate, die lebende Mikroorganismen (Bakterien wie Milchsäurebakterien) enthalten und der Darmgesundheit guttun sollen. Über die sogenannte Darm-Hirn-Achse könnte die Darmflora auch das Gehirn beeinflussen, so die Theorie.
- Vitamin D: Eingesetzt wurde Vitamin D in verschiedenen Dosierungen. Meist wurde es im Zusammenhang mit einer verschriebenen Medikation und/oder einer kognitiven Verhaltenstherapie getestet.
Pflanzliche Präparate sind keine Ersatztherapie
Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Arzneien können bei leichten depressiven Symptomen unterstützend wirken, sind jedoch keine Alternative zu Antidepressiva oder Psychotherapie. Die Wirksamkeit von Antidepressiva und Psychotherapie ist durch zahlreiche hochwertige Studien belegt. Bei mittelschweren bis schweren Depressionen ist eine professionelle Behandlung unerlässlich.
Weitere Forschung nötig: Vielversprechende pflanzliche Mittel
Für einige weitere Präparate gab es zwar nur einen begrenzten Wirksamkeitsnachweis, aber die Forschenden stuften sie als aussichtsreich ein. Darunter waren zum Beispiel Folsäure, Zink, Tryptophan (eine Aminosäure), Rosenwurz (Rhodiola), Zitronenmelisse, Lavendel, Zitronenmelisse, Kamille und Echium (Natternkopf).
Bei anderen Präparaten waren die Ergebnisse nicht einheitlich und sie müssen weiter untersucht werden. Dies galt zum Beispiel für Melatonin, Magnesium, Kurkuma, Zimt, Vitamin C oder Vitamin D plus Kalzium.
Allgemein müsse die Wirksamkeit und Sicherheit pflanzlicher Mittel gegen depressive Symptome und Depressionen weiter untersucht und bewertet werden, vor allem im Hinblick auf die Kombination mit Antidepressiva.
Nur wenige Studien hatten nämlich Sicherheitsaspekte untersucht, wenn pflanzliche Präparate allein oder in Verbindung mit Antidepressiva angewendet wurden. Viele Studien hatten zwar die Nebenwirkungen erfasst, aber nicht durchgängig und auch nicht in ausreichendem Umfang und genügender Tiefe. Zudem wiesen einige Studien weitere methodische Schwierigkeiten auf, wie beispielsweise kleine Stichproben. Für eine bessere Bewertung der Präparate sind weitere, größere Studien notwendig.
Pflanzlich gleich ungefährlich? Vorsicht vor Überdosierungen
Pflanzliche Präparate sind zwar beliebt und gelten als „sanft“ und gut verträglich. Dennoch können sie einige Risiken bergen. Sie können zum Beispiel Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten eingehen.
Johanniskraut fördert zum Beispiel den Abbau anderer Medikamente und kann ihre Wirkung vermindern. Beispiele: Gerinnungshemmer, HIV-Medikamente, Antiepileptika, Immunsuppressiva oder Zytostatika (gegen Krebs). Umgekehrt kann Johanniskraut die Wirkung von Antidepressiva aus der Substanzklasse der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) im Gehirn so verstärken, dass es zu einem lebensbedrohlichen Serotoninsyndrom kommen kann. Dabei häuft sich Serotonin stark im Körper an. Symptome können unter anderem Durchfall, Verwirrtheit, Zittern und Herzrasen sein. Auch die Sicherheit der Verhütung (Pille) kann Johanniskraut vermindern.
Eine Überdosierung von Lavendel kann zu Kopfschmerzen führen. Bei empfindlichen Menschen können auch schon kleine Mengen unangenehme Wirkungen hervorrufen. Innerlich angewendet kann Lavendel Magen-Darm-Beschwerden wie Sodbrennen, Übelkeit oder Verstopfung hervorrufen.
Auch die Einnahme von Melatonin birgt Risiken. Schon relativ niedrige Melatonindosierungen (ein Milligramm pro Tag und weniger) könnten unerwünschte gesundheitliche Effekte haben, berichtet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Häufig seien bei Erwachsenen Schläfrigkeit, Kopfschmerzen, verringerte Aufmerksamkeit, längere Reaktionszeiten, Blutdruckabfall oder Gangunsicherheit beobachtet worden. Die schlaffördernde Wirkung von Melatonin hielt teilweise bis in den Folgetag nach der letzten Einnahme hinein an. Dies könne die Teilnahme am Straßenverkehr oder berufliche Tätigkeiten wie das Bedienen von Maschinen beeinträchtigen.
Ein weiteres Problem: Die Qualität der pflanzlichen Präparate kann unzureichend sein. Das gilt vor allem, wenn die Bezugsquelle das Internet ist. Manche Menschen reagieren auch besonders sensibel auf pflanzliche Mittel oder leiden unter Allergien.
Daher gilt der allgemeine Ratschlag: Menschen, die pflanzliche Präparate anwenden möchten, sollten immer vorab einen Arzt oder eine Ärztin zu Rate ziehen.
Quellen
- Frost, R et al.: Understanding the research landscape of over-the-counter herbal products, dietary supplements, and medications evaluated for depressive symptoms in adults: a scoping review; Frontiers in Pharmacology; 2025; DOI: 10.3389/fphar.2025.1609605
- Online-Informationen Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention: www.deutsche-depressionshilfe.de; Abruf: 16.09.2025
- Online-Informationen Deutsches Ärzteblatt: www.aerzteblatt.de; Abruf: 16.09.2025
- Online-Informationen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): www.bfr.bund.de; Abruf: 16.09.2025