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Schützt eine Gürtelrose-Impfung auch vor Demenz?

Forschende haben den Impfstoff gegen Varizella-Zoster-Viren auf seine Wirksamkeit überprüft – und festgestellt, dass er nicht nur das Risiko für Gürtelrose senkt.

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Eine Hand in blauen Latexhandschuhen hält eine Spritze

© Imagine Stock / Getty Images

Erstaunlicher positiver Nebeneffekt

Wie wirkt sich die Herpes-Impfung auf die Gesundheit aus? Dieser Frage gingen Forschende der Stanford University nach und veröffentlichten ihre Ergebnisse im April 2025 im Fachblatt Nature. Das Team stellte zweierlei fest: Zum einen erwies sich der Lebendimpfstoff gegen Herpes zoster, also Gürtelrose, mit einer um 37,2 Prozent reduzierten Erkrankungswahrscheinlichkeit als wirksam. 

Die Erkrankung mit Bläschen und juckendem Hautausschlag ist eine mögliche Folge von Windpocken. Sie tritt vor allem bei älteren Menschen auf und wird von den gleichen Viren wie die Windpocken, den Varizella-Zoster-Viren, ausgelöst, die Jahrzehntelang im Körper schlummern können und bei einer Gürtelroseerkrankung reaktiviert werden.

Durch Zufall entdeckten die Forschenden noch eine weitere Schutzwirkung des Impfstoffs: Geimpfte erkrankten seltener an Demenz als Ungeimpfte. Dass die Impfung auch geistigen Abbauprozessen entgegenwirkt, ist ein (erfreulicher) Nebeneffekt. Der Impfstoff war weder dafür entwickelt noch darauf getestet worden.

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Ein „natürliches Experiment“

Die Erkenntnis bezüglich der Impfstoffwirksamkeit basiert auf einem sogenannten „natürlichen Experiment“: In Wales wurden ab 2013 die Kosten für die Herpes-zoster-Impfung für alle Senioren übernommen, die bis zum Stichtag 80 Jahre alt waren, also am oder nach dem 2. September 1933 geboren. Daraufhin erhöhte sich die Impfquote von 0,01 auf 47,2 Prozent – und die Forschenden konnten zwei Gruppen von nur wenigen Monaten Altersunterschied wählen, bei denen sich Drittvariablen wie Gewicht, Aktivitätsgrad oder Ernährungsweise, die sich auf das Ergebnis auswirken könnten, gleichmäßig verteilten: die Geimpften (Behandlungsgruppe) und die Ungeimpften (Kontrollgruppe). 

Die Forschenden nutzten elektronische Gesundheitsakten, in denen Impfstatus, Alter, Geschlecht und Diagnosen der ausgewählten Probanden erfasst waren. Dieses Setting erfüllte die Anforderungen an eine sogenannte randomisierte kontrollierte Studie. Bei diesem Design teilen die Forschenden die Senioren zufällig einer Behandlungs- und einer Kontrollgruppe zu, um die Wirksamkeit einer Therapie zu beurteilen. Sie gilt als Goldstandard in der medizinischen Forschung, auch weil sich kausale Zusammenhänge (Ursache-Wirkung) erkennen lassen. 

Im Fall dieser Untersuchung wiesen Geimpfte in den sieben Jahren nach der Impfung ein um etwa ein Fünftel verringertes Risiko für eine Demenzdiagnose auf. Bei Frauen war der Effekt stärker ausgeprägt als bei Männern. Die Forschenden vermuten, dass dies unter anderem an einer unterschiedlichen Immunantwort der Frauen auf den Impfstoff liegt, ihr Abwehrsystem also anders reagiert als das der Männer.

Wie hängen Herpes und Demenz zusammen?

Seit einigen Jahren schon besteht die wissenschaftliche Annahme, dass Infektionen mit Herpesviren das Alzheimer-Risiko, die häufigste Form der Demenz, erhöhen könnten. Dies sei der Fall, wenn bestimmte Herpes-Viren über Nervengänge und -gewebe chronische Entzündungsprozesse anstoßen, die wiederum in der Gehirnregion zu Proteinablagerungen (Plaques) führen und dadurch die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen oder Nervenzellen zerstören. Die aktuelle Studie liefert erstmals Hinweise nach dem Ursache-Wirkungs-Prinzip. Die Zoster-Impfung könnte durch die Bekämpfung der Herpes-Viren diesem Mechanismus entgegenwirken.

Die Studienergebnisse bezüglich des Demenzrisikos sorgten dennoch für Diskussionen unter Experten, inwieweit die Analyse tatsächlich die gehirnschützende Wirkung des Impfstoffs belege. Das Argument: Möglicherweise seien die Menschen seltener zum Arzt gegangen, da die Zoster-Erkrankungen aufgrund der Impfung zurückgegangen seien. Dadurch gab es weniger Gelegenheiten, Demenz zu diagnostizieren. 

Doch nachdem sich die Forschenden auch die Arztkontakte nach der Impfung in den Gesundheitsakten angeschaut hatten, stellte sich heraus, dass die Häufigkeit der Arztkontakte nur geringen Einfluss hatte und auch keine anderen Erkrankungen außer Gürtelrose und Demenz nach der Impfung seltener festgestellt wurden. Der National Health Service in England bestätigte, dass auch dort weniger Demenzdiagnosen eingingen, nachdem die Gürtelrose-Impfung eingeführt worden war.

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Was bedeuten die Studienergebnisse für die Praxis?

Die deutsche Plattform Science Media Center, die Informationen zu aktuellen Wissenschaftsthemen bündelt, befragte Experten zu Ihrer Meinung bezüglich der Studienergebnisse. 

Diese wiesen auf einige Limitationen der Untersuchung hin. So bezieht sich die Untersuchung auf den Lebendimpfstoff gegen Gürtelrose, heute allerdings kommt hauptsächlich der rekombinante Impfstoff, ein Totimpfstoff, zum Einsatz, der besser gegen Herpes zoster wirkt, aber damals noch nicht existierte. Aussagen für diesen Impfstoff und die Zeit nach dem Studienzeitraum (bis 2023) sind auf Basis der Studienergebnisse nicht möglich – darauf weisen auch die Studienautoren hin. Außerdem kritisieren Experten, dass die Studie allgemein von Demenz spricht und nicht in verschiedene Arten, wie beispielsweise Alzheimer, unterteilt. Obwohl ein Zusammenhang zwischen Viren und Demenz nur für die Alzheimer-Erkrankung vermutet wird.

Grundsätzlich hielten die befragten Experten die Ergebnisse jedoch für relevant, das Risiko für Verzerrungen durch die unterschiedlichen Probanden für gering bis ausgeschlossen und sie werteten selbige als Beleg eines bereits vermuteten Effekts der Herpes-Impfung auf das Demenzrisiko. 

Quellen
  • Eyting, M et al.: A natural experiment on the effect of herpes zoster vaccination on dementia; Nature; 2025; DOI: 0.1038/s41586-025-08800-x
  • Wainberg, M et al.: The viral hypothesis: how herpesviruses may contribute to Alzheimer’s disease; Molecular Psychiatry; 2021; DOI: 10.1038/s41380-021-01138-6
  • Online-Informationen Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.: https://dgn.org; Abruf: 24.04.2025
  • Online-Informationen Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung: www.helmholtz-hzi.de; Abruf: 24.04.2025
  • Online-Informationen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de; Abruf: 24.4.2025
  • Online-Informationen Science Media Centers Germany: www.sciencemediacenter.de; Abruf: 24.04.2025
  • Online-Informationen Alzheimer-Demenz Deutschland: www.alzheimer-deutschland.de; Abruf: 24.04.2025
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Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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