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Gehdauer wichtiger als Schrittzahl?

Wer fit bleiben möchte, muss möglichst viele Schritte sammeln? Das stellt eine aktuelle Studie infrage. Die Forschenden verglichen die Wirkung der Bewegungsdauer mit der Anzahl der Schritte auf die Gesundheit – mit überraschendem Ergebnis.

Geprüft von , Medizinredakteurin , Mikrobiologin, Redaktionsleitung FOCUS-Gesundheit Digital

Veröffentlicht: 2025-12-02T18:15:06+01:00

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© Kristina Jovanovic / iStockphoto

10.000 Schritte pro Tag sind notwendig, um fit und gesund zu bleiben. Diese magische Bewegungsmarke ist in vielen Köpfen ebenso verankert wie in den Standardeinstellungen von Fitnesstrackern. Allerdings steckt hinter dieser Schrittzahl keine validierte Wissenschaft, sondern die Marketingkampagne eines japanischen Herstellers von Schrittzählern aus den 60er-Jahren.

Institutionen wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) rücken von konkreten Schrittvorgaben ab. Die BZgA empfiehlt beispielsweise Erwachsenen ab 18 Jahren keine konkreten Schrittzahlen, um gesund zu bleiben, sondern unter anderem „regelmäßige Bewegung in Form einer Gesamtaktivität von dreimal zehn Minuten pro Tag an fünf Tagen pro Woche“.

Der Ansatz, bei der Bewegung im Alltag von einem Zeit- anstatt einem Mengenziel auszugehen, scheint sinnvoll zu sein. Das legt eine aktuelle Studie der University of Sydney und der spanischen Universidad Europea nahe. Die ergab: Es kommt bei grundsätzlich eher inaktiven Menschen weniger auf die Anzahl der Schritte pro Tag an als auf die Dauer der Bewegungsphasen, wenn es darum geht, das Risiko für vorzeitige Sterblichkeit und Herz-Kreislauf-Vorfälle zu reduzieren.

Studiendesign: mit Tracker und langem Atem

In einer langfristig angelegten Beobachtungsstudie verfolgten die Forschenden die gesundheitliche Entwicklung von 33.560 Teilnehmenden im Alter zwischen 40 und 79 Jahren bis zu neuneinhalb Jahre lang, von Anfang Juni 2013 bis Ende November 2022.

Zu Beginn der Studie, die im Oktober 2025 im Fachjournal Annals of International Medicine erschien, hatten die Teilnehmenden weder eine diagnostizierte Herz-Kreislauf-Erkrankung noch Krebs. Alle bewegten sich im Alltag eher wenig, das heißt: Sie machten im Schnitt weniger als 8.000 Schritte pro Tag. Für die Studie trugen sie je eine Woche lang ein Forschungs-Armband am Handgelenk, einen wissenschaftlichen Aktivitätstracker, der sehr genau erfasst, wie viele Schritte sie pro Tag gingen – und vor allem, wie diese Schritte zustande kamen: in vielen kleinen „Häppchen“ oder in längeren zusammenhängenden Zeitabschnitten.

Aufgeteilt wurden die Probanden anhand der Länge der Bewegungsphasen in vier Gruppen

  • Bewegungsphasen bis zu fünf Minuten am Stück (43 %)
  • Bewegungsphasen zwischen fünf und zehn Minuten am Stück (33,5 %)
  • Bewegungsphasen zwischen zehn und 15 Minuten am Stück (15,5 %)
  • Bewegungsphasen über 15 Minuten am Stück (8 %)

Zudem sortierten die Forschenden sie anhand der insgesamt pro Tag gemachten Schritte in die Gruppen:

  • Inaktive mit weniger als 5.000 Schritten (15.747 Personen)
  • wenig Aktive mit 5.000 bis 7.999 Schritten (17.813 Personen)

Zusätzlich fragten die Forschenden individuelle Gesundheits- und Lebensstilfaktoren ab, etwa Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Rauchhistorie, Alkoholkonsum, Schlafdauer und Ernährungsgewohnheiten. Auch Angaben zur allgemeinen Gesundheit, familiären Vorbelastungen und bestehenden Diagnosen wie Bluthochdruck oder Diabetes flossen in die Auswertung ein. 

Über die Studiendauer dokumentierten die Forschenden dann, ob und wie häufig bei den Teilnehmenden in den verschiedenen Bewegungszeit-Gruppen Herz-Kreislauf-Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall auftraten und ob, beziehungsweise wie oft, es zu Todesfällen kam. So entstand ein differenzierter Eindruck davon, wie Schrittmenge und Schrittmuster mit dem späteren Gesundheitszustand zusammenhängen.

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Studienergebnisse: Länger ist besser

Am Ende der Beobachtungsphase schlussfolgerten die Forschenden: Nicht (nur) die Anzahl der Schritte ist entscheidend, sondern vor allem auch, wie zusammenhängend die Testpersonen sie zurücklegten. Dabei schnitten diejenigen, die zehn Minuten oder länger am Stück aktiv waren im Hinblick auf das Sterbe- und Herz-Kreislauf-Risiko besser ab als die Teilnehmenden, die ihre Schritte überwiegend in sehr kurzen Episoden von weniger als fünf Minuten sammelten. Mehr noch: Selbst wenn die tägliche Schrittzahl insgesamt niedrig blieb, das heißt deutlich unter 8.000 pro Tag, sank das Krankheits-Risiko, wenn die durchschnittlichen Gehabschnitte länger waren.

Konkret ergab die Beobachtungsstudie unter anderem:

  • Bei den Teilnehmenden, die ihre Schritte dauerhaft in zehn- bis 15-minütigen Abschnitten sammelten, lag das kumulative Risiko, also die Anzahl der Neuerkrankungen bezogen auf die Testgruppe, für einen Herz-Kreislauf-Vorfall bei etwa acht Prozent. Wer länger als 15 Minuten ging, reduzierte es auf etwa vier Prozent. Dagegen erhöhten das Risiko diejenigen, die fünf bis zehn Minuten unterwegs waren, auf rund elf Prozent, während es in der Gruppe mit bis zu fünfminütigen Gehphasen bei rund 13 Prozent lag.
  • Auch wie viele Schritte die Testpersonen zurücklegten, spielte eine Rolle dabei, wie hoch das Risiko eines Herz-Kreislauf-Vorfalls war: Die Gruppe derjenigen, die mit weniger als 5.000 Schritten am Tag besonders inaktiv war, profitierte stärker davon, diese wenigen Schritte in längeren Abschnitten zu absolvieren. In dieser Gruppe halbierte sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse von etwa 15 Prozent bei sehr kurzen Gehabschnitten von fünf Minuten oder weniger pro Tag auf rund sieben Prozent bei längeren, zusammenhängenden Gehstrecken von bis zu 15 Minuten täglich. Zum Vergleich: In der Gruppe der wenig Aktiven mit 5.000 bis 7.999 Schritten sank das Risiko von rund neun Prozent bei weniger als fünf Minuten auf 3,5 Prozent bei 15-minütigen Gehphasen. Es reduzierte sich also nur um etwa ein Drittel.
  • Wer länger ging, reduzierte auch das vorzeitige Sterberisiko: Testpersonen, die ihre Schritte überwiegend in sehr kurzen Gehphasen von weniger als fünf Minuten machten, hatten ein vorzeitiges kumulatives Sterberisiko von 4,36 Prozent. Wer dagegen meist fünf bis zehn Minuten am Stück ging, halbierte sein Risiko auf 1,83 Prozent. Bei Gehphasen von zehn bis 15 Minuten lag das Risiko bei 0,84 Prozent und damit nur rund ein Fünftel so hoch wie in der Gruppe mit weniger als fünf Minuten Aktivität, und wer meist 15 Minuten oder länger am Stück unterwegs war, kam auf 0,80 Prozent.

Die Forschenden vermuten, dass der Körper auf längere Gehphasen anders reagiert. Gerade bei Aktivitäten mit leichter bis moderater Intensität wie dem Gehen scheinen nur die längeren Abschnitte ein ausreichendes Volumen und eine ausreichende Kontinuität zu erreichen, um kardiometabolische physiologische Prozesse anzuregen. Darunter fallen zum Beispiel die Herzfrequenzvariabilität, ein Indikator für die Anpassungsfähigkeit des autonomen Nervensystems und damit für den Gesundheits- und Erholungszustand, oder die Insulinsensitivität, also wie effizient der Körper Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Zellen aufnehmen kann.

Die Studie zeigte außerdem, dass der Zusammenhang zwischen Bewegungsdauer und verbesserter Gesundheit besonders bei den körperlich inaktivsten Menschen ausgeprägt war. Diese könnten also am meisten von kleinen Aktivitätsveränderungen – hin zu längeren Bewegungsphasen – profitieren.

Fazit: Schon kleine Umstellungen sind wirksam

Wer fit und gesund werden oder bleiben möchte, tut also gut daran, den Fokus von der Anzahl der Schritte auf die Dauer der Bewegung zu verlagern. In puncto Sterbe- und Herz-Kreislauf-Risiko ist das „Wie lange“ wohl entscheidender als das „Wie viel“. Selbst Menschen, die insgesamt wenig gehen, können spürbare gesundheitliche Vorteile erzielen, wenn sie einen oder zwei zusammenhängende Spaziergänge von mindestens zehn Minuten pro Tag einplanen.

Zwar bringt es auch etwas, über den Tag verteilt mehrere kürzere Einheiten einzulegen, aber längere Abschnitte ab etwa zehn Minuten wirken offenbar deutlich stärker auf das Herz-Kreislauf-System. Laut der Forschenden kann es daher sinnvoll sein, im Alltag bewusst Zeiten für einen kurzen, aber durchgehenden Spaziergang zu schaffen – etwa in der Mittagspause oder nach Feierabend. Schon kleine Umstellungen wie diese könnten einen großen Unterschied für die Herzgesundheit machen, gerade für Menschen, die bisher nur sehr kurze Wege am Stück zurücklegen.

News to go: Begungsdauer schlägt Schrittzahl

Mehr Infos zur Folge

Habt ihr auch schon von der Empfehlung gehört, 10.000 Schritte am Tag zu gehen? 

Viele haben diese Zahl im Kopf, obwohl sie nicht auf wissenschaftlichen Befunden beruht, sondern auf dem Marketing eines Schrittzähler-Herstellers basiert.

Bewegung ist immer gut, aber eine neue Studie zeigt: Für die die Herz-Kreislauf-Gesundheit sind andere Parameter entscheidender als die bloße Anzahl der Schritte.

Wie ihr eure Schritte so in den Alltag integriert, dass sie wirklich etwas für die Gesundheit bewirken, vor allem, wenn ihr euch insgesamt eher wenig bewegt, erfahrt ihr in dieser Folge. 

Quellen
  • del Pozo Cruz, B et al.: Step Accumulation Patterns and Risk for Cardiovascular Events and Mortality Among Suboptimally Active Adults; Annals of Internal Medicine; 2025; DOI: 10.7326/ANNALS-25-01547
  • Online-Informationen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.bundesgesundheitsministerium.de; Abruf: 18.11.2025
  • Online-Informationen Deutsche Sporthochschule Köln: www.dshs-koeln.de; Abruf: 19.11.2025
  • Online-Informationen Deutsches Zentrum für Diabetesforschungwww.diabinfo.de; Abruf: 19.11.2025

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