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Richtig Stretchen: Neue Empfehlungen fürs Dehnen

Sollten die Muskeln vor dem Sport gedehnt werden oder besser danach? Ist statisches Stretchen besser als dynamisches – und was bringt das Ganze überhaupt? Antworten auf Fragen wie diese liefert eine aktuelle internationale Konsensstudie.

Geprüft von , Mikrobiologin, Redaktionsleitung FOCUS-Gesundheit Digital

Veröffentlicht: 2025-08-04T15:00:00+02:00

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© Lzf / iStockphoto

Der Mythos vom gedehnten Muskel

Stretching hat einen guten Ruf: Unter anderem soll es Verletzungen vermeiden helfen, die Beweglichkeit und Haltung verbessern, dazu beitragen, dass die Muskeln stärker werden und sich nach Belastungen schneller erholen. Was davon ist aber reines Wunschdenken und was wissenschaftlich belegbar? Mit dieser Frage hat sich ein internationales Forschungsteam befasst – und ist zu interessanten Ergebnissen gekommen.

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Empfehlungen mit 80 Prozent Konsens

Das 20-köpfige Gremium aus internationalen Fachleuten mit klinischem, sportwissenschaftlichem und therapeutischem Hintergrund sichtete aktuelle systematische Arbeiten zu verschiedenen Stretching-Anwendungen. Es untersuchte dabei die kurz- und langfristigen Auswirkungen von Dehnen auf Beweglichkeit, Kraft, Muskelwachstum, Muskelsteifigkeit, Verletzungsrisiko, Erholung, Haltung und Herz-Kreislauf-Gesundheit. 

Anschließend formulierte das Forschungsteam seine Empfehlungen im Rahmen eines strukturierten Konsensverfahrens. Das heißt, nur Aussagen, denen mindestens 80 Prozent des Panels zustimmten, fanden Eingang in die im Juni 2025 im Journal of Health Science veröffentlichten Ergebnisse. Ziel des Unterfangens war es, Stretching-Mythen zu entkräften und Kontroversen rund ums Muskeldehnen in Sport und Alltag zu klären.

Was kann Stretching – und was nicht?

Die Forschenden waren sich einig, dass Dehnen in manchen Bereichen zielführend und sinnvoll ist. So verbessert es beispielsweise kurz- und langfristig die Beweglichkeit, und es verringert die Steifigkeit der Muskeln. In anderen Bereichen erwies sich Dehnen dagegen als kaum oder nicht wirksam, zum Beispiel dann, wenn die Muskeln wachsen sollen, die Haltung korrigiert oder die Regeneration beschleunigt werden soll.

Hier hilft Dehnen

  • Beweglichkeit verbessern: Um vor dem Training gezielt die Beweglichkeit zu verbessern, sind zwei bis drei Dehneinheiten von jeweils 5 bis 30 Sekunden pro Muskel ausreichend, entweder statisch oder dynamisch. Wer langfristig beweglicher werden möchte, sollte statisch oder per PNF, einem Wechsel aus An- und Entspannung, jeweils 30 bis 120 Sekunden lang dehnen. Am besten täglich und mit zwei bis drei Wiederholungen pro Muskel.
  • Muskelsteifigkeit reduzieren: Wer steife Muskelpartien mindestens vier Minuten lang statisch und fünfmal pro Woche und über mindestens drei Wochen dehnt, macht sie geschmeidiger. Das kann sich positiv auswirken bei Sportarten wie Turnen oder Kampfsportarten, die ein hohes Maß an Beweglichkeit erfordern. In manchen Fällen, zum Beispiel bei Disziplinen wie dem Basketball mit explosiven Sprüngen, schnellem Richtungswechsel und Abstoppen ist eine gewisse Muskelsteifigkeit aber wünschenswert, weil verletzungsminimierend. Hier ist ein solches Stretching also kontraproduktiv. Und: Auf die Geschmeidigkeit der Sehnen hat dieses Dehnen keinen Einfluss.
  • Herz-Kreislauf-Gesundheit fördern: Statisches Dehnen kann sowohl kurzfristig als auch über längere Zeiträume hinweg die Blutgefäße flexibler machen, den Blutdruck regulieren helfen und die Herzfrequenzvariabilität – ein Indikator für die Anpassungsfähigkeit des Körpers – positiv beeinflussen. Allerdings braucht es dafür etwas Geduld: 7 bis 15 Minuten pro Muskel sollten es sein, und zwar mindestens fünfmal pro Woche über vier Wochen hinweg.

Hier hat Dehnen keinen Effekt

Die Forschenden haben allerdings auch Effekte widerlegt, die dem Dehnen häufig zugeschrieben werden. Dehnen bringt nichts für: 

  • Muskelwachstum: Stretching ist kein effektives Mittel zum Muskel- oder Kraftaufbau. Zwar lassen sich bei mindestens 15 Minuten fünfmal pro Woche und Muskel minimale Zuwächse erzielen. Der Zeitaufwand stehe laut Forschungsgruppe aber in keinem sinnvollen Verhältnis zum Effekt. Deutlich effektiver seien hier Widerstandsübungen, zum Beispiel mit einem Gymnastikband.
  • Verletzungsprophylaxe: Regelmäßiges statisches Dehnen kann das Risiko für Muskelverletzungen allenfalls leicht senken. Das Expertenpanel empfiehlt Stretching deshalb nicht pauschal zur Verletzungsprophylaxe.
  • Regeneration: Die belastete Muskulatur nach dem Sport zu dehnen, hat wohl keinen Einfluss auf Muskelkater, die Wiederherstellung der Kraft oder auf die Beweglichkeit nach intensiven Belastungen. Nach dem Training zu stretchen, ist also nicht wirkungsvoll. Dennoch: Wer Dehnen nach dem Sport als angenehm empfindet, kann sich natürlich weiterhin damit etwas subjektiv Gutes tun.
  • Haltungskorrektur: Ob Rundrücken oder Hohlkreuz – isoliertes Stretching hilft nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht, die Körperhaltung zu verbessern. Ohne begleitendes Training, um die entsprechenden Muskelgruppen zu kräftigen, bleibt Dehnen wirkungslos.

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Solide Grundlage fürs individuelle Stretchingprogramm

Dehnen hat seine Berechtigung, ist aber kein Allheilmittel. Entscheidend ist die zielgerichtete Anwendung, und zu dieser gibt die vorliegende Konsensstudie konkrete Empfehlungen. Diese Arbeit ist eine solide Orientierungsbasis für Athleten, Sportärzte und -wissenschaftler sowie Coaches. Es ist aber zu bedenken, dass die Einschätzungen, wenn auch mit hoher Übereinstimmung gegeben, noch immer zu einem gewissen Grad subjektiv sind, und ein anderes Panel eventuell (leicht) abweichende Empfehlungen gegeben hätte.

Quellen
  • Warneke, K et al.: Practical recommendations on stretching exercise: A Delphi consensus statement of international research experts; Journal of Sport and Health Science; 2025; DOI: 10.1016/j.jshs.2025.101067

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FOCUS-Gesundheit 03/2025

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Wichtiger Hinweis

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