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71% der deutschen Ärzte nutzen noch Faxgeräte: Scheitert die Digitalisierung im Gesundheitswesen?

Die große FOCUS-Gesundheit-Befragung für die Ärzteliste 2025 unter mehr als 6.700 Ärztinnen und Ärzten zeigt, wo es bei der Digitalisierung in Praxen und Kliniken hapert. Und warum das Faxgerät (noch) unverzichtbar ist.

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Ärztin an ihrem Schreibtisch in der Praxis

© Lgk / Getty Images

In einer Welt, in der Smartphones und Computer unser tägliches Leben bestimmen, scheint das Faxgerät wie ein Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit. Doch im Gesundheitswesen ist es noch immer allgegenwärtig. In Arztpraxen und Kliniken wird es tagtäglich genutzt, um medizinische Informationen zu übermitteln.

Wofür nutzen Praxen und Kliniken Faxgeräte?

Damit Laborberichte, Überweisungen, Arztbriefe, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Rezepte von A nach B gelangen, müssen Arztpraxen eigentlich seit 2019 die Telematikinfrastruktur (TI) nutzen. Die TI ist eine digitale Plattform, die den sicheren und effizienten Austausch von Gesundheitsdaten zwischen Ärzten, Therapeuten, Apotheken, Krankenkassen, Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen ermöglichen soll – ähnlich eines E-Mail-Systems. Doch die Realität sieht vielerorts ganz anders aus.

71% der Ärzte verwenden in ihrem beruflichen Alltag ein Fax-Gerät. Das zeigt eine Befragung unter 6.783 Ärztinnen und Ärzten aus dem Herbst 2024, durchgeführt vom Rechercheinstitut FactField im Auftrag von FOCUS-Gesundheit. Die Befragung fand im Rahmen der Erhebung für die FOCUS-Top-Ärzteliste 2025 statt. Die Medizinerinnen und Mediziner beantworteten auch Fragen zu Digitalisierung, dem Einsatz von KI und den sich wandelnden Rollen von Arzt und Patient.

FOCUS-Gesundheit Ärztebefragung 2025 – Nutzung Faxgeräte

© FOCUS-Gesundheit

Warum ist das Faxgerät (noch) unverzichtbar?

Die TI könnte das digitale Rückgrat des Gesundheitswesens sein, wenn sie vollständig genutzt würde. Sie bietet eine Plattform für den sicheren Datenaustausch. Auch die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept hängen an diesem System. 

Die digitale Infrastruktur soll die Effizienz in Praxen erheblich steigern und die Kommunikation zwischen Playern des Gesundheitssystems beschleunigen. Klingt zielführend und doch nutzen viele Ärzte lieber das Faxgerät als die TI. 

Dafür gibt es verschiedene Gründe, erklärt Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Dr. Sibylle Steiner, MBA, Vorständin Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
Dr. Sibylle Steiner – Vorständin Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)

© PR

Fehlende Anbindungen an die TI 

„Ein ganz praktischer Grund ist, dass noch nicht alle Akteure im Gesundheitswesen an die TI angeschlossen sind. Zum Beispiel fehlen die Pflegeheime noch komplett“, so Steiner. „Das führt dann beispielsweise zur absurden Situation, dass die Arztpraxis ein Rezept an ein Pflegeheim faxen muss, wenn ein Bewohner ein Medikament benötigt.“

Technische Störungen

Die fehlende Anbindung ist nicht die einzige technische Herausforderung. „Wir haben immer noch eine Technik, die störanfällig ist. Und bei einem Betriebsausfall greift das Praxispersonal dann vielleicht zum Fax“, berichtet Steiner weiter. Netzwerkfehler, Hardwareausfälle oder Aktualisierungsprobleme seien nur einige Beispiele für Störungen, die in der TI regelmäßig vorkämen. 

Mangelnde Kompatibilität der Systeme

Für das Terminmanagement, die Verwaltung der Patientendaten, die Abrechnung und die Dokumentation, nutzen Arztpraxen und Kliniken eine Praxisverwaltungssoftware (PVS) bzw. ein Krankenhaus-Informationssystem (KIS), also ein Programm, um alle administrativen und organisatorischen Aufgaben zu vereinfachen. Das Problem: Es gibt in Deutschland 130 verschiedene Softwarelösungen allein in den Praxen. „Hier kommt es häufig zu Problemen“, erklärt Steiner. „Die verschiedenen PVS-Systeme müssen besser zusammenarbeiten, damit die Übertragung, zum Beispiel eines elektronischen Arztbriefes von der Patientendatenbank der einen Praxis in die andere, reibungslos läuft.“

Fehlendes Vertrauen in das neue System

Beim Faxgerät wissen Ärzte und Praxispersonal, dass es (in der Regel) tut, was es soll. Und sie wissen, wie es zu bedienen ist.

„Dem neuen System der Telematikinfrastruktur stehen manche Ärzte und Angestellte in Praxen und Kliniken noch skeptisch gegenüber und vertrauen ihm nicht“, sagt Steiner. Systemausfälle oder auch teilweise erfolgreiche Hacker-Angriffe und Meldungen über Sicherheitslücken verunsichern die Nutzer. Hinzu kommt, dass Technik und Datensicherheit in der Regel nicht die Kernkompetenz von Ärztinnen und Ärzte sind – sondern medizinische Expertise.

Zeitersparnis

Ein weiteres Problem der Telematikinfrastruktur: Sie nimmt (noch) viel Zeit in Anspruch. Während es im stressigen Praxisalltag fünf Sekunden dauert, ein Fax zu senden, braucht es über die TI vielleicht zwei Minuten, das Dokument an den passenden Empfänger zu verschicken. Da die TI ein geschlossenes Netzwerk ist, benötigen die Nutzer innerhalb des Systems spezielle E-Mail-Adressen für die Kommunikation. Das bedeutet: die Mitarbeitenden müssen erstmal die richtige Empfängeradresse ausfindig machen, um das Dokument zu verschicken. „Wir bekommen Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen, dass andere Praxen im Adresssystem nicht auffindbar sind oder nicht klar ist, welcher Arzt welcher Praxis zuzuordnen ist. Das muss in Zukunft komfortabler gehen“, sagt KBV-Vorstandsmitglied Steiner.

Datenschutz

Das System der Telematikinfrastruktur ist unter anderem deshalb so komplex, weil die Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit in Deutschland vergleichsweise hoch sind. „Datenschutz muss bei so sensiblen Gesundheitsdaten über allem stehen“, ordnet Steiner ein. „An dieser Stelle dürfen wir keine Kompromisse machen.“

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Herausforderungen der Digitalisierung in Deutschland

Die Implementierung der TI gestaltet sich noch schwierig: technische Hürden, hohe Anforderungen an den Datenschutz und Unsicherheiten stehen einer flächendeckenden Nutzung im Weg. 

Das bestätigt auch die FOCUS-Gesundheit-Ärztebefragung. 42% der Medizinerinnen und Mediziner nennen Datenschutz und -sicherheit als größte Hürde der Digitalisierung, gefolgt von technologischer Implementierung (34%), Unklarheit der Verantwortung bei Fehlern (10%) und der Dehumanisierung der Patientenversorgung (8%).

FOCUS-Gesundheit Ärztebefragung 2025 – Digitalisierung

© FOCUS-Gesundheit

Die Wahl eines passenden Arztes kann für den Genesungserfolg entscheidend sein. FOCUS-Gesundheit gibt Orientierung bei der Suche nach dem richtigen Arzt und recherchiert für Sie Medizinerinnen und Mediziner, die für bestimmte Erkrankungen am meisten Erfahrung vorweisen können. Wichtiger Teil der Erhebung ist die jährliche fachspezifische Befragung von Ärztinnen und Ärzten, neben der Analyse von Sekundärdaten aus öffentlichen Quellen. 

Deutschlands Top-Mediziner 2025 aus 126 Fachbereichen: https://www.focus-gesundheit.de/magazin/empfehlungslisten-top-mediziner-2025

Fazit: Der Weg zu einem digitalisierten Gesundheitswesen

Bis die Dokumentenübertragung, elektronische Patientenakten und das E-Rezept effizient funktionieren, muss noch einiges passieren. Die Probleme und Herausforderungen in der Umsetzung sorgen aktuell nicht nur für ineffiziente Arbeitsabläufe. „Sie führen auch dazu, dass Praxismitarbeiter stundenlang in telefonischen Warteschlangen für IT-Support festhängen, weil beispielsweise ein fehleranfälliges PVS-System einen Systemabsturz herbeigeführt hat“, so Steiner. 

Die Vorteile der TI sind jedoch enorm – sie könnte dazu beitragen, Fehler zu reduzieren, Zeit zu sparen und die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern. Die Notwendigkeit einer umfassenden Digitalisierung im Gesundheitswesen ist unverkennbar. Das Faxgerät steht als Symbol für die Kluft, die es zu überwinden gilt.

„Damit die Digitalisierung vorangeht, muss man die Systeme anwenderfreundlich und benutzerfreundlich machen. Und sie müssen störungsfrei funktionieren und gut getestet sein. Dann wird auch der Transformationsprozess in den Praxen besser laufen“, sagt Sibylle Steiner.

Quellen
  • Interview mit Sibylle Steiner, KBV-Vorstandsmitglied; 16.04.2025
  • Online-Informationen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: www.bsi.bund.de; Abruf: 22.04.2025
  • Online-Informationen medatixx: www.dip.medatixx.de; Abruf: 22.04.2025
  • Online-Informationen Kassenärztliche Bundesvereinigung. Digitalisierung der Praxen: www.kbv.de; Abruf: 22.04.2025
  • Online-Informationen Kassenärztliche Bundesvereinigung. Telematikinfrastruktur ermöglicht ePA, eAU und eRezept: www.kbv.de; Abruf: 22.04.2025
FOCUS-Gesundheit – Ärzteliste 2025

© FOCUS-Gesundheit

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Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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