Definition: Was ist Inkontinenz?
Der Fachbegriff „Inkontinenz“ geht auf das lateinische Wort „Continentia“ zurück, das so viel wie „Zurückhalten“ oder „Selbstbeherrschung“ bedeutet. Menschen, die unter Inkontinenz leiden, können ihren Urin oder – was seltener vorkommt – ihren Stuhl nicht zuverlässig halten. Als Ursache kommen beispielsweise ein schwacher Beckenboden, eine Operation oder eine neurologische Erkrankung infrage. In Deutschland sollen mehr als sechs Millionen Menschen betroffen sein. Da Inkontinenz für viele ein Tabuthema ist, dürfte die Dunkelziffer hoch sein.
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Inkontinenzformen: Harn oder Stuhl?
Je nachdem, welche Form der Inkontinenz vorliegt, hat der Betroffene andere Symptome. Bei einer „Harninkontinenz“ geht unkontrolliert Urin verloren, bei einer „Stuhlinkontinenz“ Stuhl. Den Betroffenen sind diese Symptome oft peinlich, viele gehen damit deshalb nicht zum Arzt. Dabei könnte der ihnen helfen: Sowohl gegen Harninkontinenz als auch gegen Stuhlinkontinenz gibt es wirksame Therapien.
Harninkontinenz
Wenn unkontrolliert Urin verloren geht, spricht man von „Harninkontinenz“ oder auch „Blasenschwäche“. Ärzte unterscheiden verschiedene Formen der Harninkontinenz, und nicht immer ist die Blase die Ursache:
- Dranginkontinenz: Diese Form der Inkontinenz, die mit einer „überaktiven Blase“ gleichzusetzen ist, ist geprägt durch starken und plötzlichen Harndrang – obwohl die Blase noch gar nicht weit gefüllt ist. Der Drang tritt häufig auf und ist für die Betroffenen so stark und tritt so schnell ein, dass sie es manchmal nicht mehr bis zu einer Toilette schaffen. Meist sind Männer betroffen.
- Belastungsinkontinenz: Betroffene verlieren ungewollt Urin, wenn sie husten, niesen, lachen, pressen oder etwas Schweres heben. Dabei steigt der Druck im Bauchraum und erreicht auch die Blase. Ist deren Schließmuskel nicht stark genug, entleert sich Harn – bei manchen Betroffenen nur in Form weniger Tropfen, bei anderen stärker. Ärzte unterscheiden drei Grade der Belastungsinkontinenz, die früher auch Stressinkontinenz hieß. Bei einer Inkontinenz dritten Grades verlieren die Patienten sogar im Liegen Urin. Harndrang verspüren die Betroffenen nicht, bevor der Urin abgeht.
- Reflexinkontinenz: Betroffene spüren nicht, wann ihre Blase gefüllt ist. Dadurch kommt es vor, dass sich die Blase selbst entleert. Ursache ist eine Nervenstörung.
- Überlaufinkontinenz: Diese fortgeschrittene Form der Harninkontinenz ist geprägt von ständigem Harndrang. Permanent verlieren Betroffene Urin. Ihre Blase läuft regelrecht über, weil sie sich nicht mehr gut entleeren kann – etwa aufgrund einer Prostatavergrößerung.
- extraurethrale Inkontinenz: Betroffene können nicht verhindern, dass sie permanent Urin verlieren. Die Ursache für diese Form der Inkontinenz ist nicht in den Harnwegen zu suchen, sondern außerhalb, „extraurethral“. Etwa könnte eine Fistel eine Verbindung zwischen Blase und Vagina hergestellt haben, sodass darüber permanent Urin verlorengeht.
- nächtliches Einnässen (Enuresis): Hiervon sind vor allem Kinder betroffen. Bis etwa zum vierten Lebensjahr ist es normal, dass Kinder nachts einnässen, erst danach spricht man von Enuresis.
- Mischformen: Manchmal treten Symptome verschiedener Arten von Harninkontinenz auf.
Stuhlinkontinenz
Wenn Menschen die Ausscheidung von Stuhl nicht mehr kontrollieren können, sprechen Ärzte von anorektaler Inkontinenz. In Deutschland sollen bis zu fünf Millionen Menschen betroffen sein, Frauen viermal häufiger als Männer. Die Ursachen sind so unterschiedlich wie bei der Harninkontinenz, jedoch kommt Stuhlinkontinenz seltener vor. Je nach Schweregrad – Ärzte unterscheiden drei – kommt es bei Stuhlinkontinenz lediglich zu unkontrolliertem Entweichen von Darmgasen und häufiger Verschmutzung der Wäsche bis hin zu völlig unkontrolliertem Stuhlabgang.
Inkontinenz: Die Ursachen
Die Ursachen von Inkontinenz sind unterschiedlich. Während die Inkontinenz bei Frauen oft mit einer schwachen Beckenbodenmuskulatur zusammenhängt, spielt beim Mann mitunter eine vergrößerte Prostata eine Rolle.
Die Ursachen von Harninkontinenz
Je nach Form der Harninkontinenz liegen unterschiedliche Ursachen zugrunde:
- Dranginkontinenz: Der Blasenmuskel ist überempfindlich und reagiert bereits auf kleine Füllmengen der Blase. Zugrunde liegen können neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose oder Alzheimer. Dranginkontinenz kann auch die Folge eines Schlaganfalls sein.
- Belastungsinkontinenz: Ursache ist ein zu schwacher Blasenschließmuskel, der beim Sport oder beim Husten dem Druck im Bauchraum nicht standhält. Diese Beckenbodenschwäche tritt oft häufig in Folge einer Schwangerschaft auf. Symptome bemerken Frauen oft erst in den Wechseljahren: Die Hormonumstellung schwächt das Gewebe zusätzlich, es verliert an Elastizität.
- Reflexinkontinenz: Die Nerven, welche die Blasenentleerung steuern, arbeiten nicht richtig. Dies kann die Folge eines Schlaganfalls oder einer neurologischen Erkrankung wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose oder Alzheimer sein. Auch eine Querschnittslähmung kann der Grund für diese Form der Inkontinenz sein.
- Überlaufinkontinenz: Unter dieser Form der Inkontinenz leiden vor allem Männer – etwa, weil ihre Prostata vergrößert ist und sich die Blase dadurch nicht mehr so gut entleeren kann. Manchmal ist auch eine Nervenstörung der Grund für die Inkontinenz.
- extraurethrale Inkontinenz: Körperliche Veränderungen wie eine Fistel bewirken, dass Harn abfließen kann.
- nächtliches Einnässen (Enuresis): Meistens ist eine Entwicklungsverzögerung die Ursache. Es können aber auch körperliche Einschränkungen wie fehlgebildete Harnwege zugrunde liegen.
Die Ursachen von Stuhlinkontinenz
Zur Stuhlinkontinenz kommt es, wenn Betroffene den Schließmuskel nicht mehr kontrollieren können. Dies kann am fortgeschrittenen Alter liegen – weil dann die Muskelmasse auch im Analbereich abnimmt und es zu einer Beckenbodenschwäche kommt –, aber auch die Folge von Verletzungen sein: etwa durch eine Operation oder nach einer Geburt. Als Ursache infrage kommen ebenso Tumore oder Darmentzündungen. Manchmal leiden Diabetiker unter Stuhlinkontinenz, wenn bei ihnen die Nervenempfindung nachgelassen hat.
Weitere Ursachen für Stuhlinkontinenz können sein:
- Verstopfung
- starkes Übergewicht
- Durchfallerkrankungen
- Medikamente wie Antidepressiva, Abführmittel, Mittel gegen Parkinson
- neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Alzheimer
- Hämorrhoiden
- Vorfall von Mast- oder Enddarm
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Inkontinenz: Die richtige Therapie
Inkontinenz lässt sich behandeln und häufig heilen. Je nachdem, welche Form vorliegt, kommen etwa Medikamente oder operative Möglichkeiten infrage. Doch die Betroffenen können auch selbst viel dafür tun, die Kontrolle über ihren Schließmuskel zurückzugewinnen. So besteht die Behandlung bei Frauen oft aus einem regelmäßigen Beckenbodentraining. Ist doch eine OP notwendig, sind die Möglichkeiten heute vielfältig.
Harninkontinenz: Die richtige Therapie
Harninkontinenz ist gut zu behandeln und manchmal sogar heilbar. Folgende Therapien können Betroffenen helfen:
- Beckenbodentraining: Eine gezielte, regelmäßige Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur, am besten unter Anleitung eines Physiotherapeuten, verbessert die Symptome nachweislich. Auch für Männer gibt es Übungen, die ihnen beispielsweise nach einer Prostata-OP helfen.
- Medikamente: Es gibt beispielsweise Mittel, welche die Schließfunktion der Harnröhre verbessern.
- Operation: Chirurgen können bei Männern wie Frauen ein Band unter die Harnröhre legen. Bei Männern kommen außerdem Ballons infrage, welche die Harnröhre abdichten. Manchmal müssen Ärzte einen künstlichen Schließmuskeln einsetzen. Liegt eine extraurethrale Harninkontinenz vor, bedarf das immer einer Operation.
Weitere Methoden, die Patienten mit Harninkontinenz helfen sollen:
- Blasentraining: Betroffene führen Protokoll über ihre Toilettengänge und versuchen, ihre Blase zu trainieren.
- Botoxinjektionen: Sie können bei manchen neurologischen Ursachen helfen.
- Elektrostimulation: Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur durch elektrische Impulse.
- Biofeedback-Verfahren: Patienten lernen damit, die richtigen Muskeln anzuspannen.
- Hormontherapie: Ist Östrogenmangel in den Wechseljahren der Grund für die Inkontinenz, kann ein lokales Hormonpräparat helfen.
- Magnetstimulation: Pulsierende Magnetfelder aktivieren die Schließmuskulatur.
- Vaginalkonen: Bei Frauen können vaginal eingeführte Konen helfen, die Beckenbodenmuskulatur zu trainieren.
Die Patienten können auch selbst viel dazu beitragen, die Symptome der Inkontinenz zu verbessern, etwa durch:
- Gewichtreduktion: Übergewicht belastet den Beckenboden zusätzlich.
- geringerem Koffeinkonsum: Mehr als zwei Tassen Kaffee am Tag sollten Menschen mit überaktiver Blase nicht trinken, da Koffein die Blasenschleimhaut reizt.
- eine gesunde Ernährung: Sie verhindert Verstopfung und hilft dabei, ein normales Gewicht zu halten.
Stuhlinkontinenz: Die richtige Therapie
Ist ein zu schwacher Beckenboden der Grund für die Symptome, dann helfen bei Stuhlinkontinenz dieselben Maßnahmen wie bei Harninkontinenz: Beckenbodentraining und Elektrostimulation. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind:
- Darmschrittmacher: Er verbessert die Kommunikation zwischen Schließmuskel und Gehirn. Dabei handelt es sich um ein kleines implantierbares Gerät, das schwache elektrische Impulse erzeugt, die an die verantwortlichen Nerven übertragen werden.
- Medikamente: Abführmittel fördern die Ausscheidung, Motilitätshemmer verlangsamen sie.
- Operation: Chirurgen können den Beckenboden straffen, Schließmuskelschäden reparieren oder einen künstlichen Schließmuskel einsetzen.
Welche Behandlungsmethode am besten infrage kommt, sollten Patienten mit Inkontinenz immer mit ihrem Arzt besprechen. Ob die Symptome je ganz wieder verschwinden, ist individuell unterschiedlich. Der wichtigste Schritt dafür ist jedoch vor allem eins: sich zu trauen, einen Arzt um Rat zu fragen.
Quellen
- S2e-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Belastungsinkontinenz der Frau (Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V.); Stand : 2013
- S2e-Leitlinie: Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie (Deutsche Gesellschaft für Geriatrie); Stand: 02.01.2019
- Online-Informationen Deutsche Gesellschaft für Urologie: www.urologenportal.de; Abruf: 06.02.2019
- Online-Informationen Deutsche Kontinenz Gesellschaft: www.kontinenz-gesellschaft.de; Abruf: 06.02.2019