Mathebuch oder Vokabelheft nachts unters Kopfkissen legen – wer hat es als verzweifelter Schüler nicht gemacht? Die unbequeme Unterlage wurde gerne in Kauf genommen in der Hoffnung, dass das Wissen für den anstehenden Test im Schlaf doch noch irgendwie in den Kopf gelangt. Forscher haben jetzt gezeigt: Lernen im Schlaf funktioniert wirklich. Menschen können auch im Wachzustand Inhalte abrufen, die sie schlafend unbewusst aufnehmen.
Psychologieprofessorin Katharina Henke und ihre Kollegen Marc Züst und Simon Ruch von der Universität Bern haben eine Studie mit 41 Probanden durchgeführt. Die Testpersonen wurden im Schlaf über Kopfhörer mit verschiedenen Fantasie-Worten beschallt. Beispielsweise hörten sie die Wortpaare „Guga“ und „Elefant“ oder „Tofer“ und „Schlüssel“. Im Wachzustand konnten die Versuchsteilnehmer dann zuordnen, ob sich hinter „Guga“ und „Tofer“ etwas Großes (Elefant) oder Kleines (Schlüssel) verbirgt. Dabei war ihre Treffsicherheit so hoch, dass es sich laut Studien-Autoren kaum um Zufallstreffer handeln kann.
Sprachbereich des Hirns aktiv
Die Unterscheidung der Aktivitätsphasen ist wichtig, da sich die Testpersonen Wortpaare merken konnten, wenn sie wiederholt (zwei- bis viermal) während eines Up-States abgespielt wurden. Sprachbereiche des Gehirns und der Hippocampus waren während des Lernprozesses aktiv –sie vermitteln auch im Wachzustand das Lernen von Vokabeln. Diese Erkenntnisse könnten zum Beispiel bei Menschen mit Lernschwierigkeiten Anwendung finden. „Wie weit und mit welchen Konsequenzen sich Tiefschlaf zur Aneignung neuer Informationen nutzen lässt, wird ein Forschungsgegenstand in den kommenden Jahren”, sagt Studienleiterin Katharina Henke. Neben dem praktischen Nutzen stellt ihre Forschungsarbeit, die im Fachmagazin Current Biology erschienen ist, eine Kampfansage für aktuelle Theorien zu Schlaf und Gedächtnis dar: Die Vorstellung von Schlaf als ein psychischer Zustand, in dem wir komplett von der Umgebung abgetrennt sind, ist nicht länger haltbar.