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Abnehmen nach dem Vario-Prinzip

Weniger Heißhunger, schnellerer Fettabbau: Wer sich Kohlenhydrate durch Bewegung verdient, wird Übergewicht rascher los. Experten verraten, worauf es ankommt.

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Bei einem Zuviel an Kohlenhydraten geht es mit der Gesundheit bergab. Sport hält die Waage in Balance

© Shana Novak/Getty Images

Zum Frühstück Vollkornbrötchen, im Büro einen Cappuccino mit Hafermilch, mittags einen Teller Pasta und abends – weil’s schnell gehen  muss – noch Ofenkartoffeln. Was auf den ersten Blick nach einer halbwegs gesunden Ernährungsweise aussieht, kann langfristig das Körpergewicht weit nach oben treiben.

So lautet zumindest das Fazit einer im September 2023 veröffentlichten Kohortenstudie der renommierten Harvard-Universität in den USA. Laut der Untersuchung tragen weniger die verzehrten Kalorien oder Fette die Hauptschuld an der aktuellen Übergewichtsepidemie, sondern vielmehr die kontinuierlich konsumierten Kohlenhydrate. „In Form von Zucker oder stärkereichen Lebensmitteln sorgen sie für eine stetige Gewichtszunahme“, sagt der Ernährungsepidemiologe Walter Willett, der die Studie leitete.

Pflanzenkost ist gesund. Doch nicht jedes Gemüse tut der Figur gut

Als Dickmacher entpuppten sich in der Untersuchung nicht bloß Weißbrot, heller Reis und Nudeln – also die üblichen Verdächtigen –, sondern auch Kartoffeln, Süßkartoffeln, Mais oder Pastinaken. Pro 100 Gramm stärkereichem Gemüse, das die Teilnehmer täglich verzehrten, wuchs ihr Gewicht im Laufe von vier Jahren um durchschnittlich 2,6 Kilogramm. „Der Effekt war deutlich größer als beispielsweise bei Zucker“, so Willett, einer der weltweit einflussreichsten Ernährungsexperten. Dass die Stärke in der Langzeitstudie ebenso schlecht wegkommt wie weißer Zucker, kann kaum verwundern. Denn Kohlenhydrate bestehen zu hundert Prozent aus miteinander verknüpften Glukosemolekülen. Stärke ist also verketteter Traubenzucker – egal ob man sie in Form von Baguette, Vollkornbrot oder Kartoffeln genießt.

Für Menschen, die auf ihre Figur achten wollen, bekräftigt die Studie, an der insgesamt 136.432 Probanden teilnahmen, zwei wichtige Lektionen. Zum einen kommt es darauf an, bei Gemüse die stärkearmen Varianten zu bevorzugen. Die Auswahl ist groß. Sie reicht von Blattgemüse über alle Kohlsorten bis hin zu Tomaten, Paprika, Zucchini, Auberginen, Gurken und Zwiebeln. Vor allem jedoch gilt es, Zucker und Stärke nach Möglichkeit mit körperlicher Aktivität zu neutralisieren.

Andernfalls landet das Zuviel an Treibstoff in Fettzellen und Leber. „Kohlenhydrate sind nicht per se schlecht. Aber wenn sie nicht durch Bewegung verbrannt werden, drohen Übergewicht und Stoffwechselstörungen. Pasta muss man sich verdienen“, sagt auch der Münchner Ernährungswissenschaftler Nicolai Worm, der sich seit Jahrzehnten mit den Besonderheiten des Kohlenhydratstoffwechsels beschäftigt.

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Je aktiver der Lebensstil, desto mehr Kohlenhydrate sind erlaubt

Doch wie viel körperliche Aktivität ist nötig, um den Konsum von Pasta und Co. zu kompensieren? Wie viele Kohlenhydrate (engl. „carbs“) verstecken sich überhaupt in einer Scheibe Brot oder einer Schüssel Müsli? Und mit welchen Lebensmitteln kann man seinen Teller optimal füllen – gemessen am eigenen Bewegungsniveau und den Abnehmzielen?

Als Faustregel nennt Nicolai Worm folgende Formel: Durch Sport und Bewegung verbrennt der Körper etwa 50 Gramm Carbs pro Stunde. Wer morgens eine halbe Stunde zur Arbeit radelt und nach Feierabend eine halbe Stunde nach Hause, kann demnach ohne Reue eine Extraportion Reis, Brot oder Nudeln genießen. „Je aktiver Sie Ihren Alltag gestalten, desto mehr Kohlenhydrate können Sie sich gutschreiben“, so Worm.

Umgekehrt bedeutet das: Wollen Menschen mit Übergewicht, die den Großteil des Tages auf dem Bürostuhl verbringen, rasch Pfunde verlieren, sollten sie sich vorübergehend nicht mehr als 50 Gramm Carbs am Tag gönnen. Dieses Limit ist schnell erreicht. In 100 Gramm Haferflocken stecken bereits 63 Gramm Kohlenhydrate. Bei Salzkartoffeln darf es immerhin eine 355-Gramm- Portion sein, wenn der restliche Tag Carb-frei bleibt. Was natürlich auch Süßigkeiten, Gebäck oder Limonaden einschließt.

Kohlenhydrate verbrennen

Bei intensiver Bewegung (z. B. Aerobic, Joggen, Radfahren) verbraucht der Körper im Schnitt 50 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde. Trainierte Sportler liegen über diesem Wert, Untrainierte darunter. Diese Liste zeigt, wie viel Gramm stärkehaltige Lebensmittel 50 g Carbs entsprechen. Eier, Fleisch oder Fisch beinhalten keine Carbs und sind nicht aufgelistet.

50 g Kohlenhydrate (Carbs) sind enthalten in

  • 100 g Baguette (2 Scheiben)
  • 65 g Cornflakes
  • 110 g Croissant (1 kleines)
  • 180 g Nudeln, gekocht
  • 200 g Reis, gekocht
  • 130 g Vollkornbrot (1 Scheibe)
  • 355 g Salzkartoffeln
  • 210 g Süßkartoffeln
  • 70 g Müsliriegel (1⁄2)
  • 90 g Kekse
  • 135 g Kuchen
  • 85 g Zartbitterschokolade
Wer körperlich aktiv ist und sein Gewicht halten möchte, kann sich hingegen an 100 bis 150 Gramm Kohlenhydraten pro Tag orientieren. Günstige Quellen sind die meisten Gemüsesorten – mit Ausnahme von Mais, Süßkartoffeln und Pastinaken – sowie zwei bis drei Stück Obst am Tag und kleine Portionen von stärkehaltigen Lebensmitteln wie Brot, Kartoffeln oder Reis. Ganz ohne Kohlenhydrate wird eine gesunde Ernährung nämlich nicht funktionieren. In Form von Ballaststoffen hält dieser Nährstoff den Darm gesund. Als Zucker regen Carbs die Ausschüttung von Glückshormonen an. Überdies versorgen sie nicht nur die Muskeln mit Treibstoff, sondern auch das Gehirn. Das Oberstübchen verbraucht etwa 20 Prozent unserer Energie. „Die gängigen Ernährungsleitlinien empfehlen, dass die Hälfte des täglichen Energiebedarfs über Kohlenhydrate abgedeckt werden sollte“, sagt die Erährungsberaterin Anja Bath aus dem brandenburgischen Neuruppin. Diese Faustformel gilt jedoch im Kontext der Bewegungsfreudigkeit. „Wer sich wenig bewegt, sollte auch weniger Kohlenhydrate essen“, ergänzt die Diplom-Ökotrophologin. Der ständige Griff zu Brötchen, Teigtaschen oder Wraps lässt den Blutzuckerspiegel stets neu ansteigen. Die überschüssige Glukose, die der Körper nicht für den aktuellen Energiebedarf benötigt, lagert er mithilfe von Insulin in Muskeln und Leber (als Speicherzucker Glykogen) und im Fettgewebe (als Triglyzeride) ein. Außerdem blockiert Insulin den Fettabbau. Wird also ständig mehr Energie zugeführt als verbraucht, verfetten Leber und innere Organe. Die Folge sind Erkrankungen des metabolischen Syndroms, darunter Übergewicht, Bluthochdruck, Zucker- und Fettstoffwechselstörungen. Und damit auch ein stark erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.

Der Weg aus der Insulinfalle führt über eine mediterrane Ernährung

Dieser Teufelskreis lässt sich durchbrechen, wenn statt Stärke und Zucker mehr Proteine, gesunde Fette sowie ballaststoffreiches Gemüse auf dem Teller landen. „Wenn sich der Insulinspiegel auf niedrigem Niveau eingependelt hat, ist der Körper in der Lage, seine Energie aus den Fettreserven zu ziehen und effektiv Fett zu verbrennen“, verspricht Worm. Der Ernährungswissenschaftler rät zu einer mediterranen Ernährung mit viel Gemüse, Salaten, Milchprodukten, Ei, fetten Kaltwasserfischen wie Lachs oder Makrele und Olivenöl. Solche Lebensmittel sättigen anhaltend, ohne den Blutzucker- und Insulinspiegel auf Achterbahnfahrt zu schicken. Diäten sind allerdings kein Selbstläufer, auch nicht wenn sie nach mediterranen Prinzipien funktionieren.

Unser Experte für Endokrinologie und Adipositas

Matthias Blüher, Endokrinologe und Leiter der Adipositas-Ambulanz für Erwachsene am Uni-Klinikum Leipzig
„Um langfristig dabeizubleiben, braucht es ein gewisses Maß an Disziplin“, sagt der Endokrinologe Matthias Blüher, der am Uniklinikum Leipzig die Adipositas-Ambulanz für Erwachsene leitet. Denn der Körper hält mit unterschiedlichen Mechanismen an den Extrakilos fest. „Dazu gehört, dass der Organismus die aufgenommenen Kalorien voll ausschöpft. Zudem steuert er Appetit und Sättigung auf eine Weise, die es erschwert, Gewicht zu verlieren.“ Was das konkret bedeutet, weiß jeder, der während einer Diät vom Heißhunger zum Kühlschrank getrieben wurde.

Im Kühlschrank lagern allerdings auch wichtige Verbündete gegen Heißhunger: Käse, Joghurt oder Quark. „Eiweißhaltige Lebensmittel verringern den Appetit. Der erste Schritt beim Reduzieren von Kohlenhydraten besteht deshalb darin, mehr Proteine auf den Teller zu holen“, sagt Ernährungsberaterin Bath. Wasserreiches Gemüse wie Tomaten, Salat, Zucchini, Aubergine und Paprika hilft ihren Patienten ebenfalls, Hunger zu bändigen. „Dank ihres Volumens dehnen diese Lebensmittel den Magen und erzeugen so einen Sättigungsreiz.“ Um dem gedämpften Gemüse mehr Geschmack zu entlocken, rät sie zu einem Butterflöckchen nach Garzeitende. „Es muss ja kein dicker Butterstreifen sein. Auch frische Kräuter und Gewürze bringen Pfiff rein.“

Die eingangs erwähnte Großstudie der Harvard-Universität bestätigt die Empfehlungen von Ernährungsprofis wie Worm und Bath: Wer seinen Teller nicht mit Stärkelieferanten wie Reis, Nudeln, Kartoffeln und Mais füllte, sondern mit Brokkoli, Blattgemüse, Tomaten und anderem wasserreichen Grünzeug, verlor an Gewicht.

FOCUS-GESUNDHEIT 01/24

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Einfach besser leben 2024. Weitere Themen: Viele Alterungsprozesse lassen sich nachweislich bremsen. Was uns jung hält. Außerdem: Welche Schutzmaßnahmen aus Corona-Zeiten heute noch sinnvoll sind. U.v.m.

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Der Schlank-Effekt von Sport ist vor den Mahlzeiten besonders groß

Der Schlank-Effekt vergrößert sich, wenn Abnehmwillige vor den Mahlzeiten Sport treiben – idealerweise gleich nach dem Aufstehen. Wie Wissenschaftler der Universitäten von Bath und Birmingham zeigten, verdoppelt „nüchterner“ Frühsport die Fettverbrennung. Der Grund: Da nach dem nächtlichen Fasten weniger gespeicherte Kohlenhydrate zur Verfügung stehen, wird mehr Speicherfett aus Fettgewebe und Leber als Kraftstoff verwendet.

Wie man es dreht und wendet: Ohne körperliche Aktivität funktioniert kein Abnehmplan, selbst wenn mit Zucker und Stärke geknausert wird. „Trotz einer kohlenhydratreduzierten Kost schaltet der Körper nicht gleich auf den Fettstoffwechsel um, sondern plündert erst seine Glykogenvorräte in Leber und Muskulatur“, sagt Rüdiger Reer, Sportmediziner und Leiter des Arbeitsbereichs Sport- und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg. „Erst wenn diese aufgebraucht sind, beginnt der Organismus, in bedeutender Menge Depotfett zu mobilisieren und anstelle von Zucker zu verbrennen. Schneller erreicht man diesen Zustand durch Sport. Die Muskelaktivität hilft, die Glykogenspeicher zu leeren und ein erneutes Einlagern von Glukose in die Zellen zu verhindern.“

Je öfter und intensiver die Muskulatur arbeitet, desto mehr Glykogen wird verbraucht und demzufolge rund um die Uhr mehr Fett verbrannt. Mindestens 150 Minuten pro Woche sollten Menschen ihre Ausdauer bei moderater Intensität trainieren, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ob das mit Radfahren, Schwimmen oder Joggen passiert, ist nach Ansicht von Adipositas-Forscher Blüher zweitrangig. „Das Wichtigste ist, am Ball zu bleiben: mit einer Sportart, die man gern ausübt.

Regelmäßiges Krafttraining reduziert Körperfett und Bauchumfang im selben Maß wie Ausdauersport, zeigte eine Studie an der Universität Leipzig. Kombiniere man sein Workout dann noch  mit mehr Alltagsbewegung, so Blüher, sinke der Blutzuckerspiegel und die Pfunde purzeln stetig.
FOCUS-Gesundheit – Klinikliste 2025

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