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Rheuma: Neue Therapiemöglichkeiten

Leben mit entzündlichem Rheuma: Durch Früh­erkennung, verbesserte Diagnostik und hochwirksame Medikamente lassen sich rheumatische Autoimmunerkrankungen heute gut beherrschen.

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Geschwollene, entzündete Hände einer älteren Frau

© Shutterstock

Dieser Artikel wurde von der Deutschen Rheuma-Liga mit dem Medienpreis „Die Bewegerinnen und Beweger des Jahres 2022“ ausgezeichnet.

Mediziner beschreiben Rheuma als Chamäleon unter den Krankheiten – so vielfältig sind seine Symptome und Formen.

Rheuma macht den Körper unbeweglich, schränkt Hände, Arme, Beine und Rücken in ihrer Funktion ein und verursacht nicht selten heftige Schmerzen. So unterschied­lich die über hundert rheumatischen Krankheitsbilder auch sind, ihr gemeinsa­mer Nenner ist ein fehlgesteuertes Im­munsystem, das sich gegen den eigenen Körper richtet und Beschwerden von der Haarspitze bis zum großen Zeh auslösen kann – steife und geschwollene Gelenke, entzündete Gefäße, Hautausschlag, Schuppenflechte, Nagelveränderungen.
Etwa 1,6 Millionen Deutsche leiden an einer chronisch entzündlichen Rheuma­erkrankung. Am häufigsten ist die rheumatoide Arthritis, bei der sich die Gelenk­innenhaut entzündet und ohne Behand­lung dauerhafte Schäden entstehen.

Mit Rheuma zu leben ist auch deshalb nicht leicht, weil die Beschwerden oft un­berechenbar sind: Wie stark die Einschränkungen am nächsten Tag sein wer­den, ist kaum einzuschätzen. Ausgeliefert ist man der Erkrankung jedoch längst nicht mehr. Musste vor 15 Jahren mehr als die Hälfte der Betroffenen operiert wer­den, um ein zerstörtes Gelenk versteifen oder ein Kunstgelenk einsetzen zu lassen, ist dies heute nur noch selten nötig.

Ziel moderner Therapien ist die Remission, bei der die Entzündung zum Stillstand kommt und die Beschwerden praktisch vollständig zu­rückgehen. Immer öfter wird es auch erreicht.

Rheuma: So wichtig ist ein früher Therapiestart

Rheuma ist eine Krankheit, die keinen Aufschub verträgt. „Hit hard and early“ lautet daher die De­vise der Ärzte, um die Gelenke vor Zerstörung zu bewahren. Zahlreiche Studien zeigen, dass ein früher Therapiestart die Chance auf ein uneinge­schränktes Leben deutlich erhöht, da die schlimms­ten, nicht wieder gutzumachenden Schäden in der ersten Zeit der Krankheit auftreten. „In vielen Fällen wird entzündliches Rheuma dennoch nicht früh genug erkannt“, bedauert Julia Holle vom Rheumazentrum Schleswig­-Holstein.

Auch wenn sich das Intervall von Symptombeginn bis zur Dia­gnose verkürzt hat, verstreicht wertvolle Zeit. Hausärzte müssen Patienten an den Facharzt wei­terleiten, vielerorts fehlt es an Rheumatologen. „Oft vergehen drei bis sechs Monate, bis Betroffene beim Facharzt sind“, so Holle. Sie empfiehlt, mit dem Hausarzt zu besprechen, ob eine Indikation dafür vorliegt, die Servicestelle der Kassenärztlichen Ver­einigung zu kontaktieren. Diese weist dem Patienten dann einen Termin bei einem Rheumatologen zu, damit zumindest eine erste rheumatologische Einschätzung zeitnah stattfindet.
 

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Rheuma: Diagnosemöglichkeiten

Zudem gibt es vermehrt Früh­- und Screeningsprechstunden, um Behandlungen in die Wege leiten zu können. Die Diagnosestellung bedeutet nicht selten Puzzlearbeit, Rheuma ist komplex. Mithilfe neuer Laborwerte und moderner Ultraschallgeräte können Ärzte die Krankheit entdecken und den Verlauf der Entzündung kontrollieren.

„Wenn noch keine Schwellung da ist, der Patient aber Schmerzen in einem Gelenk hat, sehen wir oft schon eine Kapselentzündung“, sagt Holle. Eben­so wichtig sind eine ausführliche körperliche Untersuchung und genug Zeit, den Patienten zu­zuhören. „Sie leiten uns meist zur richtigen Dia­gnose“, so die Rheumatologin.

Rheuma-Therapie: Die richtigen Medikamente finden

Das Arsenal an wirksamen Arzneien wächst. Die erste Biologika­-Zulassung vor gut 20 Jahren war ein Durchbruch für die Rheumatologie. Die Mittel – gentechnisch hergestellte Eiweißstoffe – greifen gezielt in den Entzündungsprozess ein, indem sie einen bestimmten Botenstoff abfangen und aus­schalten oder seine Bindungsstellen blockieren.

Unser Experte für Innere Medizin und Rheumatologie

Prof. Dr. Andreas Krause, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin am Immanuel Krankenhaus Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie


Biologika haben unsere Therapieziele verrückt“, sagt Andreas Krause, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin am Immanuel Krankenhaus Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Er behandelt auch Patientin Marion Rink mit Biologika. So sei die Anzahl schwerer Verläufe durch diese Therapiemöglichkeit deutlich gesunken, die Notwendigkeit von Gelenkoperatio­nen drastisch zurückgegangen und die Lebenser­wartung der Patienten messbar gestiegen.

DIAGNOSE RHEUMATOIDE ARTHRITIS

Marion Rink, Lehrerin aus Berlin
Rheuma-Patientin Marion Rink

© Marko Priske für FOCUS-Gesundheit

"Statt Wanderungen machen wir im Freundeskreis jetzt lange Radtouren."

 

„Es gibt Leidenswetter. Bei Wetterumschwüngen fühlt sich meine rechte Hand manchmal an, als ob mir jemand ein Messer ins Gelenk sticht. Autogenes Training oder Musiktherapie – ich höre bewusst auf die Klänge – helfen dann, den Schmerz ein Stück weit in den Hintergrund zu rücken.

Dass ich viele Operationen hinter mir habe, sieht man mir kaum an, da sie rechtzeitig passierten. Dennoch habe ich viel Zeit verschwendet. Als die Schmerzen und Schwellungen in den Händen und an den kleinen Fußgelenken mit Anfang 30 begannen, wollte mein damaliger Rheumatologe gleich mit Kortison und starken Medikamenten gegensteuern. Aber ich sträubte mich gegen die Therapie – ein großer Fehler.

In den folgenden sechs Jahren, in denen mich meine Hausärztin auf meinen Druck hin mit nur geringen Kortisondosen behandelte, konnte sich das Rheuma so richtig in den Gelenken ausbreiten. Das Ende vom Lied: ein künstliches Sprunggelenk, Versteifung der Halswirbelsäule, mehrere OPs an den Händen, bei denen die entzündeten Schleimhäute entfernt wurden, und zeitweise massiv Kortison. Dass ich dann die Flucht nach vorn angetreten habe und seitdem konsequent in Therapie bin, hat die Wendung gebracht.

Über die Zeit nahm ich diverse Medikamente – das Antimalariamittel Chloroquin, den Klassiker Methotrexat, mehrere Biologika. Man muss dranbleiben, manchmal spürt man keinen Effekt, oder er lässt mit der Zeit nach. Heute komme ich mit dem Biologikum Rituximab gut klar. Aber das ist eine individuelle Sache, das muss jeder mit seinem behandelnden Arzt abklären. Es wird mir nach Bedarf alle vier bis zwölf Wochen per Infusion verabreicht. Mein Rheuma betrifft auch die Lunge. Die Bronchien neigen dazu, zu verschleimen und zu vereitern – dazu braucht es Atemtherapie und regelmäßige Kontrollen beim Arzt.

Man wird zur Expertin seiner Krankheit. Motivierend sind Ärzte, die einen auch mal experimentieren lassen – natürlich nur begleitend zur Therapie. Ich schwöre etwa auf entzündungshemmendes Kurkuma, gebe eine gute Messerspitze in meinen Kaffee, und esse fast kein Schweinefleisch mehr. Wenn ich mal ein Schnitzel bestelle, merke ich es am nächsten Morgen an meinen Gelenken. Aber manchmal muss es eben sein.

Es gibt Dinge, die meine Gelenke verweigern: Wäsche aufhängen, Betten machen, Kartoffeln schälen. All das hat ohne Aufhebens mein Mann übernommen. Weil ich es nicht tun muss, merke ich meine Defizite weniger – das ist unheimlich schön und entlastend. Auch unser Freundeskreis hat für mich umgesattelt, im wahrsten Sinn des Wortes. Früher gingen wir wandern. Nach wenigen Kilometern schmerzt heute mein Sprunggelenk. Darum machen wir nun Radtouren.“

Therapiebausteine

+ Biologikum Rituximab

+ Kortison, wenn nötig

+ funktionelles Bewegungstraining

+ möglichst 10.000 Schritte täglich

+ gegen die Schmerzen Autogenes Training, Musiktherapie, Massagen, Physiotherapie

„Manche Rheumapatienten treiben Leistungssport, dank der Biologika sieht man ihnen die Erkrankung nicht an“, sagt Expertin Holle. Falls erprobte konven­tionelle Basistherapeutika wie Methotrexat (MTX), welches das Immunsystem moduliert und die Entzündungsreaktion unterdrückt, nicht an­schlagen, empfehlen die ärztlichen Leitlinien, nach drei bis sechs Monaten auf Biologika umzu­stellen. Seit ihrem Patentauslauf sind inzwischen die vergleichsweise kostengünstigeren Nachahmer­präparate – Biosimilars genannt – auf dem Markt.

Und die Entwicklung geht weiter. Jüngste Bio­logika nehmen die Psoriasis-­Arthritis ins Visier, bei der zur Gelenkentzündung eine Schuppenflechte hinzukommt. „Nach den TNF-­alpha­-Blo­ckern und den IL­-17­-Blockern gibt es jetzt neu die IL­-23-Blocker. Diese zeigen gerade an der Haut eine bessere Wirkung und sind dazu sehr gut verträglich“, erklärt Rheumatologe Krause.

DIAGNOSE ARTHRITIS UND LUPUS ERYTHEMATODES

Magdalena Beeh, Ergotherapeutin aus Selsingen
Rheuma-Patientin Magdalena Beeh

© Benedikt Ziegler/Deutsche Rheuma-Liga

"Zu viel Stress lässt meinen Lupus im Gesicht blühen."

 

„Zu meinem Gelenkrheuma – an Fingern, Hand-, Zehen- und Fußgelenken – kam später noch ein Lupus erythematodes dazu. Die Fehlsteuerung meiner Abwehr ruft Hautveränderungen hervor. Die Rötungen sitzen wie ein Schmetterling in meinem Gesicht, ziehen sich über Stirn und Nase zu den Wangen. Ich habe das Glück, dass keine inneren Organe betroffen sind wie bei anderen Lupusformen. Bisher jedenfalls.

In meiner Jugend verbrachte ich drei Monate in einem Rheuma-Spezialzentrum für Kinder. Die Therapie umfasste Kortison, den Antimalariawirkstoff Hydroxychloroquin und Schmerzmittel nach Bedarf. Zurück kam ich mit einem Spezialroller mit Sattel, Schienen für die Hände und Einlagen für die Schuhe. Und der Empfehlung, dreimal die Woche Physiotherapie zu machen. Natürlich haderte ich als junger Mensch mit der Diagnose Rheuma. Man fragt sich: Warum trifft mich so eine fiese Erkrankung?

Immerhin hatten mich die Ärzte optimal eingestellt, es gab kaum Schübe, mit 18 konnte ich für einige Jahre alle Medikamente absetzen. Während meiner Ausbildung spielte meine Haut plötzlich verrückt. Der Lupus wurde erst besser, als ich das Hydroxychloroquin wieder nahm – laut Leitlinien das Mittel der Wahl. Ich vertrage es gut, gehe nur regelmäßig zum Augenarzt, da sich die Substanz am Sehnerv absetzen kann.

Stress schlägt mir sofort auf die Gelenke und ist mir durch den Lupus auch ins Gesicht geschrieben. Meine Patienten in der Praxis fragen dann schon mal nach, ob es mir gerade zu viel ist. Wenn mein Schmetterling zu sehr „blüht“, verwende ich über Nacht eine leichte Kortisoncreme.

Klar muss man manches anders machen. Kräftig massieren kann ich meine Patienten nicht, den Händen fehlt die Kraft – zur Erleichterung nutze ich einfach einen Tennisball. Dass ich eine chronische Krankheit habe, macht mich für meine Patienten zu keiner schlechteren Therapeutin, denke ich. Im Gegenteil. Ich kann mich in sie einfühlen, kenne die Schiettage, wie man hier im Norden sagt, an denen nichts geht. Ich weiß eben, wie es sich anfühlt, wenn Beschwerden nie aufhören. Und dennoch will ich das Beste aus Defiziten machen – bei mir und bei meinen Patienten. Vom Rheuma lasse ich mich nicht daran hindern.“

Therapiebausteine

+ Medikament Hydroxychloroquin

+ ab und an Schmerztabletten

+ Spaziergänge

+ Selbsthilfe der Rheuma-Liga

Neue Therapie-Möglichkeit: Januskinase-­Inhibitoren

Seit wenigen Jahren stellen die sogenannten Januskinase-­Inhibitoren eine weitere Therapie­option in Tablettenform dar. Im Vergleich zu Biologika haben die JAK-­Inhibitoren eine breite antientzündliche Wirkung, weil sie nicht einen, sondern verschiedene Botenstoffe in ihrer Funk­tion hemmen. „Das hat den Vorteil, dass die Medi­kamente ein ganzes Spektrum entzündlicher Er­krankungen abdecken“, sagt Krause. Sie werden bei Schuppenflechtenrheuma, rheumatoider Ar­thritis und seit neustem auch für entzündliche Wirbelsäulenerkrankungen wie Morbus Bechterew eingesetzt. Weitere Zulassungen werden folgen.

Mögliche Nebenwirkungen von JAK­-Inhibitoren

Alle vier JAK­-Inhibitoren sind in der Regel gut ver­träglich und gerade für Patienten eine Option, die (Biologika­)-Injektionen ablehnen. Dennoch wei­sen Ärzte auf mögliche Nebenwirkungen der neu­en Substanzen hin. So kann es zu einer durch Herpes­-Zoster­-Viren hervorgerufenen Gürtelrose kommen – insbesondere bei höheren Dosierun­gen. „Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass die Mittel auch den Botenstoff Gamma­Interferon hemmen, der für die Virenabwehr zuständig ist“, sagt Krause.

Zudem steigt in besonderen Situatio­nen die Wahrscheinlichkeit für Thrombosen und Lungenembolien. Eine abschließende Bewertung steht noch aus.

Rheuma-Therapie: Die richtige Dosis Kortison

Die meisten Rheumapatienten brauchen Kortison bei Schüben. Die Tabletten wirken sofort, unter­drücken effektiv die Entzündung und bessern rasch die Schmerzen. Die Leitlinien empfehlen sie für die Akuttherapie. „Nach einem halben Jahr sollen die Patienten ohne Kortison auskommen“, sagt Rheumatologe Krause.

Die Realität sieht oft anders aus. Nicht wenige nehmen den Entzün­dungshemmer zum Teil über Jahre hinweg. „Es geht ihnen damit eben ein bisschen besser“, weiß der Internist. Früher galt unter Medizinern die Annahme, dass es eine Schwellendosis für die sys­temische Kortisonanwendung gibt. Alles unter einer Dosis von 7,5 Milligramm am Tag galt als ungefährlich. „Das ist Schnee von gestern“, sagt Krause. „Wir wissen, dass sich selbst vier oder fünf Milligramm Kortison negativ auswirken können.“

Durch eine längerfristige Einnahme steigt das Risiko für Osteoporose und Herz-­Kreislauf­ Er­krankungen – vor allem Atherosklerose, Herzin­farkt, Schlaganfall. Dazu kommt die Neigung zu einer dünneren Haut, Wundheilungsstörungen, Grauem Star.

Ärzte müssen diese Risiken gut ver­mitteln. Denn für Patienten macht oft jedes Milli­gramm einen spürbaren Unterschied, nicht weni­ge setzen die Dosis eigenständig wieder hoch. „Für die Gesundheit lohnt es sich, hier dranzubleiben“, betont der Experte. „Da ist viel Aufklärung nötig.“ Rheumatologin Holle bestätigt: „Wir feilschen bei der vierteljährlichen Kontrolle um jedes Milli­gramm weniger, doch wenn die Krankheit aktiv ist, braucht es trotz Biologika zusätzlich etwas Korti­son.“

Immerhin könnten dank Biologika-­Therapie mehr Patienten als früher auf Kortisonpräparate verzichten, weiß Holle. Auch wenn es im Behand­lungsverlauf darum geht, die Medikamente zu re­duzieren, da das Entzündungsgeschehen nachhal­tig eingedämmt ist, sollte Kortison ausgeschlichen sein, bevor Biologika und Co. verändert werden.

Therapiemöglichkeiten, wenn ein Gelenk rebelliert

Eine Situation, die alle Rheumatologen kennen: Der Patient ist im Großen und Ganzen zufrieden. Die Laborwerte haben sich richtig entwickelt, die Therapie ist gut eingestellt. Aber ein Gelenk schert aus. „So ein Nonresponder-­Gelenk versor­gen wir dann lokal, ohne gleich die ganze Thera­pie infrage zu stellen“, sagt Krause. Rheumaex­perten spritzen etwa Kortison direkt ins Gelenk.

Eine andere Möglichkeit ist die Radiosynovior­these – dabei injizieren Nuklearmediziner einen radioaktiven Stoff. Seine (lokal begrenzte) Strah­lung tötet Entzündungs­- und Schleimhautzellen ab, gesunde Gelenkinnenhaut kann neu entste­hen. Als letzte Option entfernen die Spezialisten im Rahmen einer Operation auch die entzündete Gelenkinnenhaut. „Nicht selten spricht das Ge­lenk nach diesem Reset doch noch auf die ge­wählte Therapie an“, so Krause.

So unterstützen Sie die Rheumatherapie

  • Bewegung bessert Kraft und Beweglichkeit: Die Muskelaktivität setzt Botenstoffe frei, die die Entzündung hemmen. Rheumasport und Funktionstraining sind besonders gelenkschonend.
  • Normalgewicht hilft: Menschen mit Gelenkrheuma sprechen laut Studien schlechter auf einige Therapien, insbesondere Biologika, an, wenn sie stark übergewichtig sind. Die Extrakilos belasten die Gelenke zusätzlich. Ein Symptomrückgang lässt sich leichter erzielen, wenn Patienten Übergewicht verlieren.
  • Ernährung unterstützt: Fasten kann die Entzündung bremsen. Experten empfehlen den Nahrungsverzicht etwa während eines Schubs. Viele Rheumatiker spüren weniger Symptome, wenn sie auf Arachidonsäure verzichten, die z. B. in Fleisch, Wurst, Milch steckt.
  • Stress heizt die Erkrankung an: Entspannungsmethoden oder auch eine begleitende Psychotherapie helfen dabei, Strategien zur Krankheitsbewältigung zu entwickeln.
  • Rauchen beeinflusst den Krankheitsverlauf ungünstig: Unterstützung zum Nikotinstopp bietet z. B. www.rauchfrei-info.de

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Rheuma: Mögliche Begleiterkrankungen

Rheuma zeigt sich neben den Gelenken auch in Organen, bei rheumatoider Arthritis insbesondere an der Lunge. Bei ungefähr 40 Prozent der Patien­ten ist das Atemorgan beteiligt. „Es ist rheumato­logisch hochinteressant, da es Hinweise gibt, dass der Auslöser für das Gelenkrheuma bei vielen Patienten tatsächlich in der Lunge liegt“, sagt Krause.

Neue US­-Studien zeigen, dass neben Zi­garettenrauch auch Feinstaubexposition ein Ri­sikofaktor ist. Die Inhalation der Schadstoffe löst eine Entzündung in der Lunge aus. „Kommt die genetische Veranlagung für Rheuma hinzu, bilden sich in den Bronchien Autoantikörper gegen die Aminosäure Citrullin, die zum Rheuma­-Ausbruch führen können“, erklärt der Experte. Von den Atemwegen wird der Prozess in die Gelenke ge­tragen. In der Praxis fragen Rheumatologen daher nach Husten, Luftnot und hören die Lunge ab. „Vor Einleitung einer Basistherapie sollte auch das Röntgen der Lunge Standard sein“, so Krause. Ein weiteres Thema sind Begleiterkrankungen des Herz-­Kreislauf­-Systems. „Heute wissen wir, dass dies eine Folge des langfristigen Entzündungs­prozesses ist“, sagt Internist Krause. Überall, wo eine Entzündung über lange Zeit arbeitet, erhöht sich das Risiko für Atherosklerose drastisch, die Herzinfarkt und Schlaganfall verursacht. „Darüber können wir auch begründen, warum unsere guten Medikamente, die Biologika oder das MTX, am Ende lebensverlängernd wirken“, erklärt Krause. „Weil das Risiko für Begleiterkrankungen mit der Medikation deutlich zurückgeht.“

"Gut eingestellte Patienten haben meist einen leichten Covid-19-Verlauf"

Rebecca Hasseli-Fräbel, Die Ärztin koordinierte bis Anfang 2022 das Covid-19-Register für Rheumapatienten in der Abteilung für Rheumatologie der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim. Unter www.covid19-register.de können sich zudem geimpfte Patienten registrieren, damit die Impfungen systematisch erfasst werden. Im Interview erklärt sie, warum es in der Pandemie essenziell ist, die Entzündung im Körper zu minimieren.
Frau Hasseli-Fräbel, viele Menschen mit entzündlichem Rheuma haben Angst vor einem schweren Corona-Verlauf. Zu Recht?

Weltweit gab es bislang keine Daten zum Thema Rheuma und Viruserkrankungen. Daher haben wir im März 2020 das Register www.covid19-rheuma.de initiiert, um wissenschaftlich zu erfassen, wie sich eine Corona-Infektion bei Rheumapatienten entwickelt. Die ersten Auswertungen von 1.500 Patienten zeigen eine leichte Entwarnung.

Inwiefern?

Rheumapatienten haben durch ihre Erkrankung selbst kein höheres Risiko, an Corona zu erkranken oder einen schweren Verlauf zu entwickeln, als die Allgemeinbevölkerung. Problematischer sind allerdings bestimmte Begleiterkrankungen zu sehen.

Welche Begleiterkrankungen betreffen Rheumatiker besonders?

Sie leiden häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes, weil sie regelmäßig Kortison nehmen. Dies kann wiederum einen schwereren Verlauf begünstigen.

Worauf kommt es an?

Unsere Studie konnte zeigen, dass jene Patienten eher schwer an Covid-19 erkranken, die eine höhere Entzündungsaktivität haben, öfter Schübe erleiden oder mehr als fünf Milligramm Kortison (Prednisolon) am Tag benötigen.

Wer kaum Entzündungsgeschehen aufwies, hatte dagegen meist nur leichte Symptome oder bemerkte die Infektion gar nicht. Das oberste Ziel muss also sein, das Rheuma mit den kortisonfreien Rheumamedikamenten gut in den Griff zu bekommen.

Es gab viel Verunsicherung, ob die Corona-Impfung für Rheumatiker riskant ist. Was ist der Stand?

Die Impfstoffe von Biontech und Moderna sind bei Rheumapatienten und unter Rheumatherapie zugelassen. Unsere Fachgesellschaft empfiehlt ausdrücklich die Impfung von Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Dies ist derzeit unsere einzige Chance schweren Coronaverläufen vorzubeugen. Keinesfalls sollten Patienten ihre Basismedikamente absetzen.

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Moderne Chirurgie

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Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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Dr. Andrea Bannert

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