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Etappensieg im Kampf gegen Darmkrebs

Wie Ärzte Darmkrebskranken mit bestimmten Genveränderungen jetzt helfen.

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Modell des menschlichen Darms aus Knetmasse

© Shutterstock

Wenn Darmkrebs streut und sich bereits Absiedelungen in anderen Organen gebildet haben, ist es für Mediziner deutlich schwieriger, den Patienten zu helfen. Warum aktuelle Studien Hoffnung machen, erklärt Stefan Kasper-Virchow, Professor für Onkologie des Magen-Darm-Trakts, im Interview.

Unser Experte für Darmkrebs

Stefan Kasper-Virchow , Professor für Medizinische Onkologie mit dem Schwerpunkt Gastrointestinale Onkologie am Westdeutschen Tumorzentrum des Universitätsklinikums Essen

 

Herr Kasper-Virchow, pro Jahr erkranken in Deutschland 60.400 Menschen an Darmkrebs. Frühzeitig erkannt, ist der Krebs gut heilbar, doch bei 50 Prozent der Patienten hat er bereits in anderen Organen gestreut. Wie behandeln Mediziner metastasierten Darmkrebs normalerweise? Wenn der Krebs bei bereits Absiedelungen in Lunge, Leber oder Lymphknoten gebildet hat, kommt für den Patienten meist leider nur eine sogenannte palliative Chemotherapie in Frage. Weil eine Heilung meistens nicht mehr möglich ist, steht bei einer palliativen Chemotherapie die Linderung der Symptome im Fokus. Kommt der Tumor nur in einem anderen Organ vor, beispielsweise in der Leber, können wir jedoch noch 50 Prozent der Patienten mit einer Chemotherapie in Kombination mit einer Operation oder Strahlentherapie heilen.

Wo lassen sich Darmkrebspatienten am besten behandeln?
In einem speziellen Darmkrebszentrum, in dem alle Experten vor Ort sind: Operateure, Onkologen, Gastroenterologen, Pathologen und Strahlentherapeuten. Die Mediziner entscheiden gemeinsam, welche Therapie für den Patienten am besten ist.

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Wie entscheiden Sie, welche Behandlung am erfolgversprechendsten ist?
Wichtige Kriterien sind beispielsweise, wo die Wucherungen liegen und wie der Allgemeinzustand des Patienten ist. Bei vielen Metastasen in verschieden Organen wird erstmal eine feingewebliche Zusatzuntersuchung an dem Tumor durch den Pathologen gemacht, eine sogenannte Molekularpathologie. Für jeden Patienten finden wir eine individuelle Therapiestrategie. Chemotherapie bekommen in der Regel alle Erkrankten mit metastasiertem Darmkrebs. Dafür müssen sie alle zwei Wochen in die Klinik kommen. Dort erhalten sie die Chemo als Infusion. Manchmal wird der Tumor zunächst geschrumpft und dann von chirurgischen Experten operativ entfernt.

Welche Nebenwirkungen kommen bei einer Chemotherapie vor? Bei einer Chemotherapie gelangen Zellgifte als Infusion in den Körper der Patienten. Diese Giftstoffe greifen auch gesunde Zellen an, etwa die in Mund- oder Darmschleimhaut. Durchfall, Taubheitsgefühl in den Fingern oder Haarverlust sind typische Nebenwirkungen. Außerdem sind die Patienten häufig anfälliger für Infekte.

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Im Rahmen einer klinischen Studie, an der das Universitätsklinikum Essen beteiligt ist, haben Sie Patienten mit metastasiertem Darmkrebs erfolgreich mit einer sogenannten Immuntherapie behandelt. Was ist das?
Bei einer Immuntherapie helfen wir dem körpereigenen Immunsystem des Patienten, sich selbst zu helfen. Bei gesunden Menschen entstehen ständig Tumoren im Körper, aber das Immunsystem ist stark genug, die unkontrolliert wachsenden Zellen abzutöten. Bei Krebspatienten erkennt der Körper die Wucherung nicht und sie kann sich ungehindert vergrößern. Die Medikamente, die wir bei der Immuntherapie verabreichen, machen das Immunsystem fit und die Zellen können den Tumor angreifen und die Tumorzellen zerstören. So verschwindet er schließlich oder wächst deutlich langsamer.

Kommt die Immuntherapie für alle Darmkrebspatienten in Frage?
Nein, sie ist nur für bestimmte Patienten geeignet, zum Beispiel solche bei denen der Krebs erblich bedingt ist. Das sind fünf bis zehn Prozent aller Darmkrebserkrankten. Bei ihnen schlägt die Therapie sehr gut an. Ebenso bei Erkrankten mit einer speziellen Genveränderung, die sich MSI (Mikrosatelliteninstabilität) nennt. Bei diesen Patienten blieb die klassische Chemotherapie oft erfolglos. 90 Prozent der Patienten aus diesen Gruppen, die wir im Rahmen der Studie mit Immuntherapie behandeln, sprechen auch nach eineinhalb Jahren noch gut auf die Behandlung an. Das ist sehr vielversprechend. Zugelassen ist die Therapie in Deutschland allerdings noch nicht.

Ist Immuntherapie besser als Chemotherapie?Die Immuntherapie ist meist verträglicher. Trotzdem ist sie nicht frei von Nebenwirkungen. Die Medikamente können den Körper dazu animieren, nicht nur die Wucherung zu bekämpfen, sondern sich auch gegen die eigenen Organe zu richten. Etwa gegen Haut, Lunge, Darm oder Schilddrüse. Durchfälle, Hautausschlag, Lungenentzündungen oder Schilddrüsenerkrankungen können die Folge sein. Mit Kortison lassen sich die Immunreaktionen in der Regel aber gut eindämmen.

Wie lange erhalten die Darmkrebspatienten eine Immuntherapie?
Alle zwei bis sechs Wochen bekommen die Patienten eine Infusion. Solange sie die Immuntherapie gut vertragen, setzen wir sie auch nicht ab.

Eine weitere internationale, wissenschaftliche Studie, an der die Universitätsmedizin Essen ebenso beteiligt war, gibt Darmkrebspatienten mit sehr schlechter Prognose neue Hoffnung. Welche Patienten haben an der Studie teilgenommen?
Darmkrebserkrankte mit einer bestimmten genetischen Veränderung (Mutation) in einem Gen ihres Tumors, dem sogenannten BRAF-Gen. Das sind fünf bis zehn Prozent der Erkrankten. Diese Patienten haben eine sehr schlechte Prognose, wenn der Krebs bereits gestreut hat, weil ihr Tumor so aggressiv wächst, dass ihn selbst Chemotherapie nicht dauerhaft aufhalten kann. Sie leben in der Regel nicht länger als einige Monate.

Wie haben Sie diese Patienten stattdessen behandelt?
Mit einer sogenannten zielgerichteten Therapie. Dabei bekommen die Patienten zum einen Tabletten, die das BRAF-Gen im Tumor gezielt angehen können. Zusätzlich verabreichen wir ihnen Antikörper über eine Infusionslösung. In Kombination sollen die beiden Therapien das Wachstum des Tumors hemmen.

Wie funktionieren die Tabletten?
Durch das veränderte BRAF-Gen vergrößert sich der Tumor besonders schnell. Denn der sogenannte BRAF-Signalweg spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Zellwachstums. Die zielgerichteten Medikamente enthalten einen Wirkstoff, der über den Blutkreislauf in die Zelle wandert und den Signalweg unterbricht und so die Zellteilung unterbindet. Wir warten aktuell in Deutschland auf die Zulassung dieser Tabletten.

Zusätzlich kommen die Erkrankten einmal pro Woche zur Infusion in die Klinik. Über die Infusionsnadel bekommen sie spezielle Antikörper. Wie wirken die?
Tumorzellen haben auf der Oberfläche Eiweißstoffe, die der Zelle sagen, dass sie wachsen soll, sobald ein Signalstoff dort bindet. Die Antikörper, die wir den Patienten geben, docken an die Eiweißstoffe auf den Tumorzellen an und blockieren sie für das Wachstumssignal. So kann sich der Krebs nicht weiter ausbreiten.

Gibt es erste Erfolge?
Die Ergebnisse sind vielversprechend. Die zielgerichtete Therapie funktionierte bei den Studienteilnehmern viel besser als die klassische Chemo. Betroffene sind länger symptomfrei und haben im Vergleich zur Chemotherapie mit deutlich weniger Nebenwirkungen zu kämpfen. Auch die Lebensdauer der Patienten konnten wir verlängern.

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Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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